Nachfrage zu Frage vom 19.09.2022: 1. Sind Sie für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht? 2. Wenn ja, haben Sie einen zu dieser Dienstpflicht vergleichbaren Dienst geleistet?
Hallo Herr Vries,
sie haben das Befürworten eines Gesellschaftsjahres u.a. mit der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen begründet. Warum glauben sie, dass junge Menschen nur unter staatlichem Zwang ihre Persönlichkeit entwickeln können? Sind ihre Aussagen mit dem Grundgesetz Art 2 vereinbar? Haben sie keine weiteren juristischen Bedenken bei der Umsetzung (Stichwort Zwangsarbeit)? Wieso legen sie schon im Voraus fest, dass die meisten Menschen den Dienst als Bereicherung sehen werden - sollten in einem freien Land nicht die Leute selbst darüber entscheiden können?
Ich hatte Ender der 90er meinen Wehrdienst geleistet. In meiner Persönlichkeit habe ich mich überhaupt nicht in dieser Zeit entwickelt, würde ich auch als schlimm empfinden. Geblieben ist der Frust über fehlendes Gehalt, fehlende Wehrgerechtigkeit, verlorene Zeit in der berufsbegleitenden Weiterbildung. Diskussionen über ausbleibende Pflichtdienstgerechtigkeit wären jetzt schon vorprogrammiert im Gesellschaftsjahr.
Sehr geehrter Herr G.,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Nachfrage zum Thema allgemeine Dienstpflicht.
Ich habe in meiner vorherigen Antwort die positiven Aspekte eines Gesellschaftsjahres herausgestellt und dazu auch die Persönlichkeitsentwicklung gezählt.
Eine Persönlichkeitsentwicklung findet selbstverständlich nicht nur unter Zwang statt, dies habe ich jedoch auch nie behauptet - und sie endet ja hoffentlich auch nicht mit einem Gesellschaftsjahr. Allerdings sind neue Erfahrungen, andere Menschen und Lebenswelten wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung. Deshalb ist es doch gut, dass sich im Rahmen einer Dienstpflicht Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichem Bildungsabschlüssen und unterschiedlichem Sozialstatus begegnen können. Dabei werden unterschiedliche Weltsichten aufeinander treffen und dies wird zu einer Bereicherung, zumindest aber zu mehr Empathie für andere Ansichten führen. Für viele junge Menschen wird es nach der Grundschule das erste Mal sein, an dem sie mit Menschen außerhalb ihrer Region und Gruppe zusammentreffen - und dies wird den Menschen gut tun, selbst wenn das im Moment vielleicht anstrengend ist, wie das auch bei der früheren Wehrpflicht war. Übrigens war die von Ihnen beschriebene mangelnde Wehrgerechtigkeit auch ein Grund für das Aushöhlen des Wehrdienstes, das zu seiner Abschaffung beigetragen hatte, die beim Gesellschaftsjahr unbedingt vermieden werden muss und aufgrund der vielen Alternativen auch vermieden werden kann.
Das Gesellschaftsjahr soll deutlich machen, dass wir alle die Gesellschaft tragen und dass wir alle dazugehören. Ich glaube schon, dass es einen Beitrag zur Stärkung der Solidarität in unserer Gesellschaft leistet und dass es, unter anderem durch ausreichende Wahlmöglichkeiten, auch Spaß machen kann.
Meines Erachtens sollte es auch eine Vergütung für diese Zeit geben, die es ja auch bei Bundeswehr und Zivildienst gab. Zwar ist es richtig, dass dabei bereits berufstätige junge Menschen auf Einkommen verzichten werden, andere werden jedoch im Gesellschaftsjahr ihr erstes eigenes Geld verdienen.
Insofern werde ich mich persönlich weiterhin dafür einsetzen, dass wir ein solches Gesellschaftsjahr einführen. Für die Art der Ausgestaltung bin ich allerdings offen.
Mit freundlichen Grüßen,
Christoph de Vries
Mitglied des Deutschen Bundestags
Deutscher Bundestag
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