Frage an Carina Gödecke von Hans-Peter W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Gödecke,
in einer vorherigen Antwort an Herrn Naujoks schreiben Sie, die Haushaltsnöte des Landes seien nicht durch Missmanagement, sondern vor allem durch die Kosten des Landespersonals bestimmt. Die Landesregierung hat den Verzicht auf Stellenstreichungen aber u.a. damit begründet, dass die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ gering sei. Die Einkommen der Beamten des Landes NRW sind im Vergleich zu anderen westlichen Bundesländern nicht höher sondern bereits jetzt geringer. Mir leuchtet daher die Logik Ihrer o.a. Aussage nicht ein. Können Sie mir nun erläutern, warum die anderen Bundesländer trotz höherer Ausgaben für den öffentlichen Dienst weniger Schulden haben ?
Die durch NRW zu leistenden jährlichen Zinszahlungen übertreffen deutlich die Neuverschuldung. Das Land NRW subventioniert z.B. seit mehr als 40 Jahren die Steinkohle mit einer Summe, die sich mittlerweile auf einen sehr hohen 2-stelligen Milliardenbetrag summiert. Die Kosten der letzten West-LB Pleite sollen sich lt. Medienberichten auf 18 Milliarden Euro belaufen. Ihre Partei ist seit Ende 60er Jahre, nur unterbrochen durch die Regierung Rüttgers, in NRW durchgängig in der Regierungsverantwortung. Die riesige Verschuldung in dieser Zeit wurde durch politische Entscheidungen von Entscheidungsträgern Ihrer Partei angehäuft. Vielleicht können Sie dann nachvollziehen, dass ich mich angesichts Ihrer Aussage, die Personalkosten des Landes seien das Problem, nicht nur als "Sparschwein" sondern mehr noch als Sündenbock dieser Landesregierung fühle?
Sehr geehrter Herr Willmes,
die Aussagen, dass Nordrhein-Westfalen eine relativ geringe Anzahl von Beschäftigten im öffentlichen Dienst hat und dass wesentliche Bereiche des Haushalts durch Personalkosten geprägt sind, stehen für mich in keinem Widerspruch. Denn der Kostenaufwand steht natürlich auch mit anderen Fragen im Zusammenhang. Etwa wie hoch der Anteil der Beamtinnen und Beamten an den Beschäftigten ist und wie die Besoldungsstruktur sich darstellt. Auch wenn ein Gymnasiallehrer genau wie ein Justizwachtmeister oder eine Assistenzkraft Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sind, so stellt sich der finanzielle Aufwand für das Land doch deutlich anders da.
Der Hinweis auf die relativ geringe Anzahl der Beschäftigten sollte den Standpunkt verdeutlichen, dass aus Sicht der SPD kaum noch Spielraum für (weiteren) Stellenabbau gesehen wird. Der Stellenabbau wurde ja als eine der - bereits von der Landesregierung verworfenen - Alternativen im Hinblick auf die Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamtinnen und Beamten diskutiert.
Was die Schuldenlast angeht, so lohnt ein Blick in die Geschichte unseres Bundeslands. Hat die Dominanz von Kohle, Stahl und alten Industrien noch die Voraussetzung für das deutsche Wirtschaftswunder und den Aufstieg eines ehemaligen Agrarlands wie Bayern ermöglicht, so waren die Kosten, den Strukturwandel ohne soziale Brüche zu gestalten, in Nordrhein-Westfalen riesig. Auf die riesigen Summen zur Bewältigung des Auslaufens der Steinkohle hatten Sie ja bereits hingewiesen.
Als Sozialdemokratin bin ich froh und manchmal auch stolz darauf, dass etwa das Ruhrgebiet, das Aachener Revier oder die Textilregionen um Bocholt und Krefeld, nicht allein gelassen wurden, sondern dass durch Entscheidungen der jeweiligen Landesregierungen und des Parlamentes in der Vergangenheit für Anschlussperspektiven gesorgt wurde. Auch die innerdeutsche Solidarität beim Aufbau der neuen Bundesländer hat Nordrhein-Westfalen viel Geld gekostet. Gar keine Frage. Doch politische Entscheidungen sind immer Abwägungsprozesse im jeweiligen historischen und gesamtpolitischen Zusammenhang. Mit heutigem Wissen auf die Vergangenheit zu blicken, kann durchaus dazu führen, dass man getroffene Entscheidungen anders beurteilt. Aber letztlich ändert auch diese Betrachtungsweise nichts daran, dass ein sehr hoher Ausgabenanteil unseres Landeshaushaltes durch die Personalkosten bedingt ist.
Dass Sie sich ungerecht behandelt fühlen, kann ich nachvollziehen. Bitte seien Sie aber versichert, dass es nicht darum geht, Sparschweine oder Sündenböcke zu suchen, sondern Perspektiven für das Land aufzuzeigen, und das unter der Notwendigkeit, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, der sich die Bundeländer und die Kommunen nicht entziehen können, ab 2020 einzuhalten.
Mit freundlichen Grüßen und vielem Dank für Ihre Nachfrage
Carina Gödecke