Frage an Carina Gödecke von Horst S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau Carina Gödecke,
aus der Presse entnehme ich, dass Sie den Politiker der Piratenpartei, Dietmar Schulz, mit seiner Einlassung zum Volkstrauertag, nicht nur als „Unerträglich“ maßregeln, sondern auch Konsequenzen fordern. Ich zitiere: „Grotesk: Gedenken der Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg auf jüdischen Friedhöfen während Israel bombt was das Zeug hält.“,.
Die Presse, hier die Westfälischen Nachrichten, titelt: „ Antisemitismus-Vorwurf gegen Piraten- Politiker“.
Ich bin mir nicht sicher, warum Sie den Piraten derart angehen – und mit ihm jeden politisch anders denkenden. Ist es in Deutschland nicht mehr möglich, israelische Politik(er) zu kritisieren ohne gleich als Antisemit beschimpft zu werden?
Haben Sie sich schon einmal die Mühe gemacht, festzustellen, wie viele UN-Resolutionen es gegen „Israels Verhalten“ in der Nahostfrage gibt und welche erfüllt worden sind??
Die von Ihnen zu erwartende Antwort in dieser Frage spricht nicht gegen das Judentum aber gegen israelische Politiker.
Ich hoffe nicht, dass Sie mich als rechtslastigen Fragesteller bewerten und verbleibe in Erwartung Ihrer Antwort mit freundlichem Gruß
Horst Sellge
Sehr geehrter Herr Sellge,
gerne möchte ich Ihnen auf Ihre E-Mail an mich anlässlich meiner Stellungnahme zu den Äußerungen des Landtagsabgeordneten Dietmar Schulz im Nachrichtendienst Twitter antworten.
Lassen Sie mich zunächst betonen, dass in unserer freiheitlichen Demokratie selbstverständlich unterschiedliche Positionen zu den aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten existieren, die es im Sinne eines demokratisch wünschenswerten Meinungsaustausches zu akzeptieren gilt. Nicht auf diese Bandbreite unterschiedlicher und politisch legitimer Meinungen zielte meine Kritik ab, sondern auf den nicht hinnehmbaren, inhaltlichen Bezug zum Gedenken an die Opfer des Holocaust.
Die Äußerungen des Abgeordneten habe ich als unerträglich bezeichnet, da ich es in jeder Hinsicht für inakzeptabel halte, die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten unter Bezug auf das Gedenken an die Millionen jüdischen Opfer des deutschen Massenmordes während der Nazi-Diktatur zu kommentieren. Wer diese Verbindung herstellt, relativiert das mahnende Erinnern an die Opfer des Holocausts, wie es zum politischen Konsens unserer demokratischen Werteordnung in der Bundesrepublik Deutschland gehört.
In meinem Amt als Präsidentin des Landtags NRW sehe ich mich in der Pflicht, mich für das Ansehen unserer parlamentarischen Demokratie einzusetzen und die Würde des Parlaments als zentralem Ort demokratisch-repräsentativer Meinungs- und Willensbildung in Nordrhein-Westfalen zu wahren. Die zum Teil hasserfüllten und in einigen Fällen eindeutig rechtsextremistisch motivierten Reaktionen, die mich auf meine Stellungnahme erreicht haben, zeigen mir, dass die von mir kritisierte Äußerung auch ein Meinungsspektrum außerhalb des demokratischen Grundkonsenses anspricht und damit nicht hingenommen werden darf.
Der Landtagsabgeordnete Schulz hat sich inzwischen in aller Form für seine missverständlichen Äußerungen entschuldigt. Stellvertretend für das Parlament habe ich diese Entschuldigung angenommen.
Im Ältestenrat des Landtags haben die politischen Spitzen aller fünf Fraktionen zugleich betont, dass unser Parlament auch weiterhin keine Äußerungen tolerieren wird, die eine Relativierung der deutschen Vergangenheit und damit der deutschen Verantwortung bedeuten.
In diesem Sinne werde ich auch zukünftig größten Wert darauf legen, dass sich die Repräsentantinnen und Repräsentanten unseres Parlaments an den von allen Fraktionen mitgetragenen Konsens halten, die Verbrechen unserer Vorfahren am jüdischen Volk unmissverständlich und mit Nachdruck zu verurteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Carina Gödecke