Frage an Carina Gödecke von Christian W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Gödecke,
der NRW-Haushalt wird seit Jahren u.a. auf Kosten der Beamten saniert: das Weihnachtsgeld ist drastisch gekürzt worden, das Urlaubsgeld wurde ganz gestrichen, Beihilfeleistungen wurden gleichfalls gekürzt, die Arbeitszeiten erhöht, Pensionen gekürzt. Wie ist mit diesem rigiden Sparkurs Ihrer Meinung nach die Erhöhung der Abgeordnetenbezüge um 500 Euro monatlich zu vereinbaren, die Sie sich in letzter Zeit selbst genehmigt haben?
Mit freundlichen Grüßen
Christian Waluszek
Sehr geehrter Herr Waluszek,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Diätenerhöhung und Beamtenbesoldung, die Sie nach meiner Beobachtung an verschiedene Kandidaten und Kollegen geschickt haben. Da ich davon ausgehe, dass es Ihnen im Wesentlichen um die Frage der Diätenerhöhung geht, werde ich (zuerst) darauf eingehen. Als ehemalige Abgeordnete der 15. Wahlperiode werde ich das gerne auch etwas ausführlicher tun.
Um den Gesamtzusammenhang der Entscheidung einordnen zu können, will und muss ich noch einmal an die Änderung des Abgeordnetengesetzes im Jahr 2005 erinnern. Die Renten der Abgeordneten sind mit der großen Reform des Abgeordnetengesetzes 2005 drastisch gekürzt worden. Darüber hinaus wurden sämtliche steuerfreien Pauschalen, die es bis dahin gab, abgeschafft, die Abgeordneten erhalten seitdem ein Gesamteinkommen, das komplett der Steuerpflicht unterliegt, und richtig ist, dass damit die nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten allen Steuerbürgern gleich gestellt wurden. Der Vorwurf der Privilegien und überbordenden Altersversorgung trifft auf NRW seither nicht mehr zu.
Beginnend mit dem Jahr 2005 für alle neugewählten Abgeordneten und verpflichtend für alle Abgeordneten seit 2010, zahlen die Landtagsabgeordneten aus NRW in ein Versorgungswerk ein, um so eine individuelle, eigenfinanzierte und kapitalstockgedeckte Alterssicherung aufzubauen. Damit haben wir in NRW bereits 2005 in Bezug auf die Abgeordnetenbesoldung eine Vorreiterrolle eingenommen, der in dieser Weise bisher aber kein anderes Landesparlament, geschweige denn der Bundestag, gefolgt ist.
Bei einer realistischen Betrachtung und Evaluation dieser Reform aus dem Jahr 2005 und der sorgfältigen Betrachtung der Entwicklung der Renten aus dem nordrhein-westfälischen Versorgungswerk im Vergleich zu den Rentenregelungen in den anderen Länderparlamenten, mussten wir feststellen, dass es Nachsteuerungsbedarf gibt. Um die bereits erfolgte drastische Absenkung der Rentenbezüge – und wir reden immerhin von einer Rentenkürzung von über 40 Prozent – auf diesem Niveau halten und stabilisieren zu können, wurde die Erhöhung der Einzahlungen in das Versorgungswerk diskutiert und letztlich auch beschlossen. In Abwägung aller bekannten Argumente sowie der Versorgungsansprüche vergleichbarer Funktionen und der Sonderstellung eines auf Zeit ausgeübten Mandats, hat die SPD-Landtagsfraktion die langfristige Stabilisierung durch die Erhöhung des Einzahlbetrages für notwendig gehalten.
Im Rahmen der schriftlichen Beantwortung Ihrer Frage lassen sich die Zusammenhänge leider nur verkürzt darstellen. Daher erlaube ich mir, Sie auch noch einmal auf die Protokolle der beiden dazu geführten Plenardebatten aufmerksam zu machen (Einbringung: Protokoll vom 8. Dezember 2011 und Abschluss der Debatte: Protokoll vom 8. Februar 2012). Das gestiegene Bruttoeinkommen der Abgeordneten führt übrigens dazu, dass die Nettobezüge jedes einzelnen Abgeordneten sinken.
Ich kann durchaus nachvollziehen, dass die Tatsache, dass Abgeordnete selbst über ihre Bezüge, inklusive des Beitrages zum Aufbau einer Altersversorgung entscheiden müssen, auf Unmut stößt. Gerade dann, wenn in völlig anderen Bereichen Einsparungen und Veränderungen zu Lasten anderer Berufsgruppen weiterhin existieren und nicht rückgängig gemacht wurden. Gleichwohl sind wir auch im Bereich der Beamten und des Öffentlichen Dienstes nicht untätig gewesen.
Im Bereich der Beamten und des Öffentlichen Dienstes haben wir in den 20 Monaten der Minderheitsregierung das LPVG novelliert und weiterentwickelt. Wir haben die Arbeitnehmermitbestimmung in fakultativen Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen durch den neuen §108a der Gemeindeordnung wieder auf sichere gesetzliche Grundlagen gestellt. Wir waren dabei, hier noch einen Schritte weiterzugehen und die Mitbestimmungsrechte auszuweiten.
Nach der Landtagswahl steht die Fortentwicklung des Dienstrechts an. Und auch dort werden wir den Grundsatz „Kooperation statt Konfrontation“ walten lassen und die Reform im Dialog mit den Beteiligten entwickeln. Uns ist klar, wer eine kompetente, leistungsstarke und motivierte Arbeit des öffentlichen Dienstes will, braucht ein modernes Dienstrecht, das leistungsgerechten Lohn und angemessene Altersbezüge sichert. Das Land wird seiner sozial- und finanzpolitischen Verantwortung als Dienstherr gerecht werden. Prinzipien wie „mehr Geld in jungen Jahren“, leistungsgerechte Besoldung, auskömmliches Grundgehalt, Lebensarbeitszeitkonten für eine flexiblere Gestaltung der Lebensarbeitszeit sollen Bestandteil der zukünftigen Reform werden. Und im Rahmen der Dienstrechtsreform soll auch die Ruhegehaltsfähigkeit wieder gewährleistet werden. Auf die Einhaltung und Umsetzung dieser Pläne, werden wir sozialdemokratischen Abgeordneten sehr genau achten.
Mit freundlichen Grüßen
Carina Gödecke