Frage an Carina Gödecke von Dominik M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Gödecke,
eines Ihrer Ziele ist ja die solide finanzielle Ausstattung der Kommunen. Die Kommunen nehmen immer mehr Kassenkredite auf. Die fälligen Zinsen werden durch neue Kredite bezahlt. Dies ist z.B. bei vielen Städten im Ruhrgebiet "normal".
Halten Sie es für sinnvoll, wenn die Kommunen auch eine Schuldenbremse einführen ? Eventuell sogar per Gesetz durch den Landtag.
Haben Sie eine Lösung parat, wie die Kämmerer (Insolvenzverwalter) der verschuldeten Städte zum sparen gezwungen werden können?
Für Ihre Antwort bedanke ich mich im voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Dominik Mickler
Sehr geehrter Herr Mickler,
vielen Dank für Ihre Frage zur finanziellen Ausstattung der Kommunen. Sie haben völlig Recht, unsere Kommunen in NRW befinden sich in einer sehr schwierigen Haushaltslage. Der Stand der Kassenkredite beträgt mittlerweile über 20 Milliarden Euro (!), mit einer Steigerungsrate von zuletzt 2,4 Milliarden Euro jährlich. In der Legislaturperiode 2005-2010 wurden von CDU und FDP den Kommunen Kürzungen, Streichungen und Mehrbelastungen in Höhe von rund 3 Milliarden aufgebürdet. Genau deshalb haben wir Sozialdemokraten in der Minderheitsregierung sofort und umgehend alles Erdenkliche getan, die Situation der Kommunen wieder zu verbessern. Dazu zählt unter anderem der „Aktionsplan Kommunalfinanzen“, mit dem wir den Kommunen ihren traditionellen 4/7 Anteil an der Grunderwerbssteuer zurückgegeben haben. Immerhin ein Finanzvolumen von derzeit rund 130 Millionen Euro jährlich. Außerdem wurden den Kommunen 166,2 Millionen Euro zurückgegeben, mit denen sie sich aufgrund der Beschlüsse von CDU und FDP an der Konsolidierung des Landeshaushaltes beteiligen mussten. Außerdem helfen wir mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen den am stärksten ver- und überschuldeten Städten in den Jahren 2011 bis 2020 mit insgesamt 5,85 Milliarden Euro.
Sie fragen nach einer Schuldenbremse für die Kommunen. Im Grunde genommen gibt es diese Schuldenbremse bereits, denn Kommunale Haushalte müssen ja von der Kommunalaufsicht genehmigt werden. Genehmigungen können nur erteilt werden, wenn die Haushalte ausgeglichen sind, oder über ein Haushaltssicherungskonzept dargestellt wird, dass und wie in einem bestimmten Zeitraum der Haushaltsausgleich erreicht wird. Diesen Konsolidierungszeitraum haben wir mit der Änderung des § 76 der Gemeindeordnung realistisch und umsetzbar weiterentwickelt. Kommunen haben jetzt maximal 10 Jahre Zeit, den Haushalt auszugleichen. Wir haben den Zeitraum von vier auf zehn Jahre verlängert, weil Konsolidierungszeiträume und –maßnahmen realistisch, nachhaltig und sozial verantwortbar sein müssen. Wir wollen die Kommunen nicht kaputtsparen. Auch in der Haushaltssicherungsphase müssen Ausbildung und Beförderungen möglich bleiben.
Sollte der Haushaltsausgleich allerdings nicht nachvollziehbar dargestellt werden können, so wird eine Genehmigung versagt und die Kommunen befinden sich im Nothaushaltsrecht. Das wiederum bedeutet, dass investive Entscheidungen und so genannte freiwillige Leistungen der Einzelgenehmigung durch die Kommunalaufsicht bedürfen. Als Ultima Ratio kann auch ein „Sparkommissar“ eingesetzt werden. Damit sind alle Vorkehrungen getroffen und rechtlich verankert, so dass sich Kommunen eigentlich nicht auf Dauer verschulden können. Die Realität, wie oben beschrieben, macht aber deutlich, dass für eine spürbare Entlastung und das Verhindern von Verschuldung noch andere Maßnahmen notwendig sind. Auf der Landesseite bedeutet das, dass wir uns an die strikte Konnexität halten und das auch vom Bund fordern. Wer die „Musik“ bestellt, muss sie auch bezahlen. Sie sehen, die von Ihnen nachgefragte Schuldenbremse besteht in Form der Genehmigungspflicht Kommunaler Haushalte bereits, hat deren Überschuldung aber nicht wirklich verhindern können.
Zur Schuldenbremse auf der Landesebene will ich noch ergänzen, dass wir durchaus für eine Verfassungsänderung in diesem Punkt sind. Allerdings nur, wenn gleichzeitig sichergestellt wird, dass dies nicht zu Lasten der Kommunen geht. Wir wollen daher gleichzeitig die Festschreibung einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen in unserer Landesverfassung.
Die Frage nach einem Zwang zum Sparen ist deshalb schwierig zu beantworten, weil ein Eingriff in die Kommunale Selbstverwaltung – außer über die Frage der Genehmigungen der Haushalte – aus meiner Sicht nicht in Frage kommt. Aus gutem Grund ist die Kommunale Selbstverwaltung verfassungsrechtlich geschützt. Daher müssen wir alles daran setzen, durch kluge und nachhaltige Entscheidungen die Rahmenbedingungen für unsere Kommunen so zu setzen, dass ihre finanzielle Handlungsfähigkeit erhalten bleibt und gestärkt wird. Einzelne Elemente habe ich bereits genannt, andere sind zum Beispiel die Wiederherstellung des § 107 unserer Gemeindeordnung (bereits erfolgt), die Weiterentwicklung des NKF (Neues Kommunales Finanzmanagement) zu Gunsten der Kommunen (ist leider der Diskontinuität anheimgefallen), Ablösung des Solidarpakt Ost nach 2019 durch eine Förderpolitik nach Bedürftigkeit und nicht nach Himmelsrichtung, oder eine weitere Beteiligung des Bundes an der Konsolidierung der Kommunen durch zum Beispiel die Übernahme der Kosten für die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen durch ein Bundesteilhabegesetz (gegenwärtig sind die Eingliederungskosten alleine von den Kommunen zu tragen und umfasst ca. 3,8 Milliarden Euro), oder die Einführung einer Gemeindewirtschaftssteuer, die die Einnahmen aus der Gewerbesteuer durch eine Ausweitung auf alle Einkommensarten und alle Selbstständigen verstetigt.
Um all das erreichen zu können, benötigen wir zum einen eine Fortsetzung der kommunalfreundlichen Politik in Düsseldorf durch eine starke Sozialdemokratie in einer rot-grünen Regierung mit eigener Mehrheit. Zum anderen aber auch einen Politik- und Regierungswechsel im nächsten Jahr in Berlin.
In der Hoffnung Ihre Fragen ausführlich beantwortet zu haben, verbleibe ich mit herzlichen Grüßen
Carina Gödecke