Frage an Carina Gödecke von Thomas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Gödecke,
in wenigen Tagen stimmt der Landtag über das neue Modell zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (des weiteren ÖRR) ab.
Ich besitze keine eigenen Geräte in meinem Haushalt. Ebenso besitze ich keinen Führerschein oder Fahrzeug. Nach der ÖR Logik müsste ich auch KFZ-Steuer bezahlen. Wieso finden Sie es fair dass ich durch eine Haushaltspauschale gezwungen werde Geld für etwas auszugeben dass ich aus Prinzip ablehne zu nutzen?
Wussten Sie dass diese Haushaltspauschale in wirklichkeit eine *Kopfsteuer ist? Dies widerspricht den EU Richtlinien die eine Kopfsteuer niemals erlauben würden. Aber da es offiziell keine Steuer sein soll, betrügt man somit die EU. Welche folgen hat DAS für deutschland?
*Aussage eines NRW Abgeordneten:
"Es handelt sich bei der neuen Mediengebühr eben nicht um eine "Kopfsteuer", sondern um eine Abgabe pro Haushalt, egal wie viele Menschen dort leben und welche und wie viele rundfunkempfangstaugliche Geräte dort benutzt werden."
Diese Aussage hat exakt den selben Sinn wie die Kopfsteuer definiert wird, nur anderer Wortlaut:
"Die Steuer wird ohne Rücksicht auf individuelle Verhältnisse (z. B. Einkommen, Familienstand) von jeder Person in der gleichen Höhe erhoben; im modernen Steuerrecht, das am Leistungsfähigkeitsprinzip orientiert ist, nicht mehr erhoben. "
Sehr geehrter Herr Steiner,
bitte entschuldigen Sie zuerst, dass Sie einige Tage auf eine Antwort warten mussten. Ich hatte meine Antwort auf Ihre Frage zeitnah fertig gestellt, auch umgehend abgeschickt, aber offensichtlich ist sie – wie ich bei Durchsicht auf der entsprechenden Seite festgestellt habe - nicht bei Abgeordnetenwatch angekommen. Das bietet jetzt die Chance, beim Einstieg in die Beantwortung die letzten Länderentscheidungen einzubeziehen. Noch eine kleine vorbemerkende Einlassung und nur zur Richtigstellung, NRW hatte bereits zum Zeitpunkt Ihrer Frage abschließend und positiv entschieden.
Da der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zwischenzeitlich in allen Bundesländern ratifiziert wurde und damit sicher ist, dass die Einführung des haushaltsbezogenen Beitrages die gerätebezogene Gebühr ersetzen wird, kann meine Antwort nur noch eine Art „Nachklappen“ sein. Aus der in NRW geführten intensiven Debatte, will ich gerne wiederholend darstellen, dass der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die weiterentwickelte und aus meiner Sicht auch gerechtere Finanzierung des für unsere Demokratie so wichtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichert. Er trägt den Vorgaben der EU Rechnung, ist technologieoffen und reagiert auf die Entwicklungen der digitalen Welt in der Veränderung der Übertragungs- und Empfangswege. Der Computer verschmilzt immer mehr mit Fernseh- und Radiogeräten, letztendlich sind die Grenzen von TV, Radio und Internet inzwischen fließend, und diese Veränderungen müssen auch in der Weiterentwicklung des Staatsvertrags berücksichtigt werden.
Entgegen Ihrer Äußerungen handelt es sich auch aus meiner Sicht, da teile ich die Einschätzung des Kollegen, nicht um eine sogenannte Kopfsteuer. Steuern fließen dem Staatshaushalt zu, das geschieht mit den Rundfunkgebühren bzw. des Rundfunkbeitrages nicht. Und im Unterschied zu Steuern wird der Beitrag auch nicht von jeder einzelnen Person erhoben wird.
Der neue Beitrag verzichtet zudem auf die Unterscheidung zwischen herkömmlichen und neuartigen Rundfunkempfangsgeräten sowie zwischen einer Grund- und Fernsehgebühr. Derzeit müssen zum Beispiel Kinder, die noch bei Ihren Eltern wohnen, aber bereits über eigenes Einkommen verfügen, für Geräte im eigenen (Kinder-)Zimmer eine gesonderte Rundfunkgebühr zahlen. Diese unter Umständen in einem Haushalt anfallende Mehrfachgebührenpflicht entfällt mit Inkrafttreten des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags. Auch nicht-eheliche Lebenspartner und WGs, die sich auf die heutige Zweitgerätefreiheit (für Ehegatten) nicht berufen können, zahlen künftig nur noch einen Beitrag pro Wohnung.
All das stellt für mich für eine Weiterentwicklung dar, die Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist von Beginn an als gemeinschaftlich finanziertes Rundfunkangebot für alle organisiert. Das halte ich auch in der heutigen Zeit für richtig. An anderer Stelle habe ich das als Finanzierung nach dem Solidarprinzip bezeichnet. Damit es nicht erneute, wie bereits geschehen, Missverständnisse gibt, will ich gerne noch einmal dazu erläuternd ausführen.
Unter dem Solidarprinzip verstehe ich, dass alle Gebührenzahler gemeinsam für eine Leistung, ein Angebot zahlen, dass theoretisch auch allen – unabhängig davon ob Gebühren gezahlt werden oder nicht – zur Verfügung steht, und damit von allen in Anspruch genommen werden kann. Da ich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für gesellschaftlich notwendig halte, er Verfassungsrang genießt, er das Grundbedürfnis der Menschen und einer demokratischen Gesellschaft auf frei verfügbare, staatsferne und nicht durch private Interessen gesteuerte Information auf allen Gebieten des Lebens und alle Sparten und Bereiche umfassend, befriedigt, halte ich eine Finanzierung über Gebühren bzw. Beiträge für richtig.
Mit den besten Wünschen für ein schönes Weihnachtsfest und allen guten Wünschen für das neue Jahr, schicke ich Ihnen ganz herzliche Grüße.
Carina Gödecke