Setzen Sie sich ein für die Einrichtung einer prägnanten, durchgehend erreichbaren und offensiv beworbenen Rufnummer, an die sich Kinder anonym wenden können, die sich in einer Notlage befinden?
Sehr geehrte Frau Müller-Gemmeke,
Ein durchgängig erreichbares telefonisches Hilfsangebot für Kinder in Not ist in Coronazeiten besonders dringend geboten, es gehört aber auch außerhalb von Pandemiezeiten zu den absoluten Basics des Kinderschutzes. In vielen europäischen Ländern ist solch ein Hilfsangebot für Kinder seit Jahren erfolgreich umgesetzt.
Sexueller Missbrauch ist immer ein Angriff auf das innerste Wesen eines Kindes, was zu schweren seelischen Verletzungen führen kann. Ähnliches gilt für häusliche Gewalt gegen Kinder. Bitte teilen Sie mir daher mit, ob Sie sich für die Aufwertung der „Nummer gegen Kummer“ hin zu einer prägnanten (dreistelligen), durchgehend erreichbaren und deutschlandweit offensiv beworbenen Rufnummer für Kinder in Not einsetzen, wie es von verschiedenen Initiativen und therapeutischen Einrichtungen befürwortet und in einer gegenwärtig beim Petitionsausschuss beratenen Petition gefordert wird.
Mit freundlichen Grüßen
A. S.
Sehr geehrter Herr S.,
ich unterstütze ausdrücklich ein telefonisches Hilfsangebot für Kinder in Not, das 24-Stunden pro Tag erreichbar ist. Für viele Kinder ist körperliche und sexuelle Gewalt leidvoller Alltag. Und während des Lockdowns in der Corona-Pandemie hat diese Gewalt auch noch zugenommen. Das ist unerträglich und deshalb brauchen wir so viele Angebote wie möglich, um diesen Kindern zu helfen.
Die Folgen dieser Gewalt belasten viele Kinder ein Leben lang. Auch wenn die Gewalt keine äußerlich sichtbaren Verletzungen hinterlässt, bleiben oft tiefe seelische Narben. Kinder, die Gewalt erleben, sind massivem Stress ausgesetzt. Ihre kindliche Welt, ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit wird massiv bedroht. Das kann ihre psychische und körperliche Entwicklung stark beeinträchtigen: Viele dieser Kinder fühlen sich wertlos und ohnmächtig, verlieren das Vertrauen in Erwachsene und sich selbst, entwickeln weniger Selbstvertrauen und leiden unter Angst oder sogar Depressionen. Gewalt kann außerdem ihre Fähigkeit beeinträchtigen, positive Beziehungen einzugehen.
Allerdings gilt auch: Viele betroffene Kinder zeigen eine unglaubliche Widerstandskraft, wenn es darum geht, das Erlebte zu verarbeiten. Das gelingt insbesondere da, wo diese Kinder durch andere Menschen Vertrauen, Anerkennung und Unterstützung erfahren. Umso wichtiger ist es, dass ihnen schnell geholfen wird.
Eine Telefonhotline ist da ein wichtiges erstes Angebot. Mädchenhäuser oder Notunterkünfte, in die Kinder und Jugendliche flüchten können und wo sie Hilfe und Unterstützung finden, sind ein weiteres wichtiges Angebot. Außerdem braucht es gute psychotherapeutische Angebote, beispielsweise Traumatherapie, um Kindern mit Gewalterfahrungen zu helfen.
Ganz wichtig ist es aber auch, dass wir Gewalt verhindern. Wir brauchen daher mehr Aufklärungsarbeit, spezifische Gewaltpräventionsprogramme, Schutzkonzepte und die Zusammenarbeit all jener, die dort arbeiten, wo Kinder und Jugendliche sich aufhalten und betreut werden. All diese Menschen brauchen Schulungen, um für sexualisierte Gewalt und Kindeswohlgefährdungen sensibilisiert zu sein. Das grundlegende Wissen darüber gehört auch in die Lehrpläne für Jurist:innen, Mediziner:innen, Lehrkräfte und Polizist:innen. Insbesondere Familienrichter:innen und Anwält:innen, die in Familienverfahren Beistand leisten, müssen hier zu entsprechenden Fortbildungen gesetzlich verpflichtet werden.
Außerdem muss die Arbeit des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs endlich durch eine gesetzliche Grundlage untermauert und damit dauerhaft abgesichert werden. In diesem Zusammenhang müssen auch die Zuständigkeiten der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs verankert werden. Darüber hinaus wollen wir Grünen bundesweit spezialisierte Fachberatungsstellen ausbauen und telefonische und Online-Beratungsangebote finanziell absichern.
Mit freundlichen Grüßen
Beate Müller-Gemmeke