Ab wann wird es die geplanten Kompetenzzentren in BW für Betroffene von Myalgischer Enzephalomyelitis (ME/CFS) geben und ab wann kann man als Betroffener mit einer anerkannten Therapie rechnen?
Mit Therapie meine ich weder kontroverse Verfahren wie Graded Exercise Therapy (GET), da diese bei ME/CFS schädlich sind, noch "Pacing", da dies keine Therapie ist, sondern nur Zustandsverschlechterungen abwenden soll.
Sehr geehrter Herr W.,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben zu diesem sehr wichtigen Thema.
Mich haben in den vergangenen Wochen zahlreiche Berichte von Betroffenen von ME/CFS erreicht, die sehr eindrücklich zeigen, wie gravierend sich diese Krankheit auf das Leben der Betroffenen auswirkt. Es zeigt auch, wie wichtig es deshalb ist, dass die Betroffenen Anlaufstellen finden, medizinisch gut behandelt und versorgt werden und sozialrechtlich abgesichert sind. Und natürlich ist es dafür auch ganz besonders wichtig, dass wir maßgeblich in die Erforschung von Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten investieren und die Mittel dafür bereitstellen.
Eine genaue Aussage dazu, wann entsprechende Kompetenzzentren in Baden-Württemberg landesweit eingerichtet sind, kann ich nicht machen und das möchte ich Ihnen erläutern. In der Koalition haben wir uns darauf verständigt, die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen zu verbessern, damit alle betroffenen Menschen schneller eine Diagnose bekommen, auf deren Grundlage sie dann adäquat behandelt werden können. Dazu wurde nun der Gemeinsame Bundesausschuss, der die inhaltlichen Vorgaben der gesundheitlichen Versorgung macht, per Gesetz beauftragt. Er soll bis Ende dieses Jahres eine Richtlinie erarbeiten für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und ähnlichen Krankheitsbildern wie ME/CFS. Außerdem wird dadurch festgelegt, wie den Versicherten ein zeitnaher Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot gesichert werden kann. Dieser Auftrag an den G-BA ist von politischer Seite der entscheidende Schritt, um eine verbesserte Versorgung von Patient:innen mit dem Verdacht auf Long-COVID und Symptomen wie ME/CFS zu erreichen. Denn so kann eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung Anwendung finden, um lange Odysseen der Betroffenen zu vermeiden. Allerdings gilt dabei, dass der G-BA zwar leitliniengerechte Versorgungspfade festlegen kann. Es ist aber den Krankenhäusern selbst überlassen, die Spezialambulanzen dann auch einzurichten.
Wichtig ist auch, dass wir uns im Bundestag fraktionsübergreifend - und bereits seit Frühjahr 2022 im Rahmen einer Petition - damit beschäftigen, welche Schritte wir politisch umsetzen können, um Verbesserungen in der Versorgung und Behandlung von ME/CFS-Patient:innen zu erreichen. Ich kann Ihnen versichern, dass meine Kolleg:innen in der grünen Fraktion, aber auch in der Koalition, die enormen Einschnitte und die schwierige Lage kennen, in der Betroffene und ihre Angehörigen sind. Deshalb hat das Chronische Fatigue-Syndrom auch als eines von ganz wenigen Krankheitsbildern Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. In diesem Zusammenhang haben wir uns ganz explizit auf die Verbesserung der Forschung und Versorgung verständigt. Wichtig ist deshalb, dass wir zur Forschungsförderung Mittel in Höhe von 16,5 Millionen Euro für die Jahre 2022 und 2023 bewilligt haben, die bereits bewirtschaftet werden. So wird mit der Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen einer klinischen Studie an der Charité aktuell die Wirksamkeit von drei Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient:innen mit Long-Covid und Chronischem Fatigue Syndrom erforscht. Das ist wichtig, um potenzielle Behandlungsmöglichkeiten auf verschiedene Wirkstoffe auszuweiten. Und gleichzeitig gibt es auch eine geplante Studie in Erlangen mit dem Medikament BC 007, das bislang in einigen wenigen Heilversuchen bei Long-Covid-Patient:innen erfolgreich getestet wurde.
Es beansprucht Zeit, bis parlamentarische Verfahren abgeschlossen sind und insbesondere bis Förderprojekte zu Ergebnissen kommen. Ich weiß, dass dies nur schwer auszuhalten ist. Und doch sind diese Schritte wichtig, um dann Entscheidungen treffen zu können, die dann wirklich helfen und die Situation von Betroffenen verbessern. Ich versichere Ihnen deshalb – wir bleiben dran!
Mit freundlichen Grüßen
Beate Müller-Gemmeke