Frage an Beate Müller-Gemmeke von Matthias J. bezüglich Verkehr
Ich habe den Eindruck, dass die Bundespolitik die Kommunen mit dem Thema Verkehrslärm allein lässt. Was wollen Sie bzw. Ihre Partei auf Bundesebene tun?
Auf kommunalpolitischer Ebene bleibt oft nur die Möglichkeit, die Geschwindigkeit auf Durchgangsstraßen auf Tempo 30 zu begrenzen. Der ADAC hat sich damit intensiv auseinandergesetzt, siehe https://www.adac.de/_mmm/pdf/fi_tempo30pro_contra_infobro_1215_253248.pdf . Auf Seite 14 kommt er zu dem Schluss, dass die Verbesserung bei gerade mal 2 dB liegt. Unabhängig davon weist die Städtebauliche Lärmfibel des Landes Baden-Württemberg https://www.stadtklima-stuttgart.de/stadtklima_filestorage/download/Laermfibel_2013.pdf auf Seite 145 eine Verbesserung von 2,5 dB aus. Interessant ist auch die Broschüre "Lärm bekämpfen", siehe http://www.staedtebauliche-laermfibel.de/pdf/Laerm-bekaempfen.pdf . Auf Seite 15 gibt es eine Darstellung der typischen Lärmemissionen verschiedener Fahrzeugarten und auf Seite 54 kann man lesen, dass die Reduzierung von Lärmspitzen mehr bringt als eine Reduzierung des mittleren Lärmpegels um 3 dB.
Somit kann man das Fazit ziehen: Tempo 30 bringt zwar fast nix, aber ein Schild ist schnell und billig aufgestellt und der Bürgermeister hat endlich seine Ruhe.
Wo man eigentlich ran muss, sind die Lärm-Spitzen durch besonders laute Einzelfahrzeuge: Busse, LKW, auch Motorräder und sogenannte Sportwagen. Mich weckt jeden Morgen um 5:20 ein Corsa (also ein Kleinwagen!) mit 200 PS und allein schon einem Standgeräusch von 82dB! Der Porsche-Cayenne verfügt serienmäßig über einen Klappenauspuff und Audi wirbt mit einem Motor-Soundsystem für kernigen Auspuff-Sound! Wäre es nicht Aufgabe der Bundespolitik, hier klare Kante zu zeigen? Öffentliche Straßen sind weder Rennstrecke noch Bühne für Selbstdarstellungen! Was wollen Sie gegen Ausstattungen und Umbauten der Zielrichtung "Ich lärme also bin ich" unternehmen? Auch Busse, LKW und Motorräder kann man sicher noch um einiges leiser machen. Sind Sie dabei?
Sehr geehrter Herr J.,
ich kann Ihren Unmut über die Lärmbelastung durch Fahrzeuge egal welcher Art gut nachvollziehen. Und ich unterschreibe auch Ihren Satz: „Öffentliche Straßen sind weder Rennstrecke noch Bühne für Selbstdarstellungen!“ Der Straßenverkehr nimmt immer weiter zu und damit steigt die Lärmbelastung für die Menschen. Deshalb halten wir auch an unserem Ziel fest, den Verkehr auf den Bahn und ÖPNV umzulenken.
Aber natürlich muss dennoch etwas gegen die Lärmbelästigung gemacht werden. Dabei bin ich schon der Meinung, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen etwas bringen. Der Lärm wird damit im Durchschnitt reduziert. Abgesehen davon haben Geschwindigkeitsbegrenzungen auch noch die weitere Funktion, die Sicherheit zu erhöhen. Alleine schon deshalb unterstütze ich Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Aber das allein, reicht natürlich nicht aus. Ich bin wie Sie der Meinung, dass wir die Ursachen in den Mittelpunkt stellen müssen und dabei geht es um die Lärmvorschriften bei der Typengenehmigung. Die Lärmbegrenzungsvorschriften können aber nicht national verschärft werden, denn das ist EU-Sache. Diese Vorschriften wurden zwar von der EU verschärft, allerdings gibt es hier noch immer Verbesserungsbedarf. Es bestehen weiterhin tiefgreifende Defizite, die rasch behoben werden müssen. Unter anderem muss möglichst der gesamte real fahrbare Geschwindigkeits- und Drehzahlbereich bei der Prüfung abgedeckt werden. Insbesondere lärmintensives hochtouriges Beschleunigen findet in den EU-Messvorschriften keine Berücksichtigung. Entscheidend ist also, dass die Regelungen der Schalldämpfung verbessert und die Geräuschgrenzwerte verschärft werden. Wie gesagt, das kann die Bundespolitik alleine nicht machen. Aber eine Bundesregierung kann das in der EU auf die Agenda setzen und sich dafür stark machen. Und da sind wir Grünen „mit dabei“.
Wie Sie auch ausgeführt haben, entsteht die Lärmbelastung durch Fahrzeuge nicht nur durch die Bauart, sondern insbesondere durch die individuelle Fahrweise. Deshalb helfen auch die seit Anfang dieses Jahres verbesserten EU-Messvorschriften für Motorräder zur Lärmbegrenzung nicht viel. Solange die Geräuschgrenzwerte nicht auch hochtouriges Fahren beinhalten, kann es Entlastungen aus meiner Sicht deshalb nur durch regelmäßige und effektive Kontrollen in Verbindung mit Tempobegrenzungen geben. Bei den Kontrollen sind wiederum die Kommunen gefragt.
Beim Thema Lärmbelastung gibt es also keine einfachen Antworten. Hier muss die Bundespolitik in der EU konsequent und zielführend tätig werden. Die Kommunen können die Belastungen durch Geschwindigkeitsbegrenzungen und insbesondere durch effektive Kontrollen etwas mindern. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir Grünen das Thema im Blick haben und alles dafür tun, dass der Schutz vor (Verkehrs-)Lärm und Emissionen vorangetrieben wird.
Mit freundlichen Grüßen
Beate Müller-Gemmeke