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Beate Müller-Gemmeke
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Frage von Jörg G. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Jörg G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sie werben für das Grüne Grundeinkommen, das allerdings lediglich ein bedingungsloses Hartz IV mit einer Höhe von 420 € Regelsatz ist. Ist das nicht viel zu unambitioniert?

Am 15.07. schrieben Sie hier auf Abgeordnetenwatch: "Dennoch bin auch ich der Meinung, dass wir weiter denken müssen und neue Antworten auf die drängenden Probleme in unserer Gesellschaft finden müssen."

Wie wäre es, wenn Sie tatsächlich weiter als 420 € denken und bei den Grünen über das "BGE 2.0" (einfachg googeln) diskutieren? Wie wollen Sie sonst jemals aus der Zwickmühle entkommen, daß ein BGE entweder finanzierbar, aber sinnlos niedrig, oder anständig hoch, aber unfinanzierbar ist? Wie wollen Sie ohne Bandbreitenmodell, in dem das BGE 2.0 nur ein Teil ist, aus der Zwickmühle entkommen, daß man von wettbewerbsfähigen Löhnen nicht leben kann und daß hohe Löhne zur Wegrationalisierung/Verlagerung von Arbeitsplätzen führen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gastmann,

vielen Dank für Ihre Frage zum Bedingungslosen Grundeinkommen bzw. zum BGE 2.0.

Bei der damaligen Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen im Jahr 2007 haben wir in Baden-Württemberg bewusst eine Höhe von 420 Euro gewählt und das aus unterschiedlichen Gründen. Zum Einen haben wir uns auf die Berechnung der Wohlfahrtsverbände gestützt, die in unserer Partei anerkannt und Beschlusslage für das Arbeitslosengeld II waren. Viel wichtiger aber war, dass wir damit die Diskussion innerhalb der Grünen in Richtung Grundeinkommen gelenkt haben. Die Höhe eines Bedingungslosen Grundeinkommens ist für mich nämlich erst der zweite Schritt in der Diskussion.

Heute wie damals müssen die Menschen und die Gesellschaft insgesamt erst einmal überzeugt werden, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen eine mögliche Lösung auf drängende Probleme darstellt. Es geht darum zu zeigen, dass sich die Menschen mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen gerade nicht in die soziale Hängematte zurückziehen würden, sondern dass dadurch soziale Sicherheit, gesellschaftliches Engagement und Kreativität entstehen. Es muss erst ein Umdenken stattfinden, dass soziale Leistungen nicht zwangsläufig mit Forderungen und Sanktionen verbunden werden müssen. Ich nenne das Bedingungslose Grundeinkommen immer Politik auf Augenhöhe und davon müssen die Menschen überzeugt werden.

Nicht die Diskussion über die Höhe, sondern diese Überzeugungsarbeit ist aus meiner Sicht notwendig und dabei hoffe ich auf eine zunehmende Zahl von Unterstützern. Und wenn wir eine breite Mehrheit in der Gesellschaft davon überzeugt haben, dann können wir gerne die Diskussion um die Höhe und die Ausgestaltung führen. Wobei das Ziel klar ist – notwendig ist ein Grundeinkommen, das allen Menschen haben das Recht auf ein würdevolles Leben und gesellschaftliche Teilhabe gibt.

Unabhängig von der Diskussion um ein Grundeinkommen müssen wir aber auch in der Arbeitswelt ansetzen. Das hat für mich hohe Priorität. Wenn der Stundenlohn in manchen Branchen unterhalb des Existenzminimums liegt, dann spiegelt der Lohnzettel alles Mögliche wider, aber sicher nicht den eigentlichen Wert der geleisteten Arbeit. Wir brauchen wieder soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt. Notwendig ist ein gesetzlicher Mindestlohn, darüber hinausgehende branchenspezifische Mindestlöhne, Equal-Pay in der Leiharbeit und Regelungen gegen Scheinwerkverträge. Dabei mache ich mir keine Sorgen, dass höhere Löhne zu Verlagerung von Arbeitsplätzen führen. Niedrige Löhne sind in der Regel nicht im produzierenden Gewerbe zu finden sondern hauptsächlich im Dienstleistungsbereich. Abgesehen davon gilt für mich: Jegliche Arbeit hat ihren Wert. Die Beschäftigten müssen von ihrer Arbeit leben können und brauchen Schutz und soziale Sicherheit.

Mit freundlichen Grüßen

Beate Müller-Gemmeke

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