Frage an Beate Müller-Gemmeke von Gottlob V. bezüglich Senioren
Sehr geehrte Frau Müller Gemmeke,
in der Rentendiskussion habe ich noch nie etwas über die Anrechnung der geleisteten individuellen Lebensarbeitszeit zur Berechnung des Renteneintrittsalters gehört.
Ist es den Politikern egal wenn ein Arbeitnehmer in das Erwerbsleben eintritt?
Alle sollen bis zum 65.bzw.67. Lebensjahr arbeiten, dabei ist es unerheblich, wenn mit dem Erwerbsleben begonnen wird.
Ein Akademiker z.B. fängt frühestenns mit 25 Jahren das Erwerbsleben an, dabei hat er die Gemeinschaft für seine Ausbildung mit mindestens 50000€ belastet.
Ein gewerblicher Arbeitnehmer fängt mit ca. 16 Jahren sein Erwerbsleben an, kostet den Staat maximal 10000€ und darf dann ebenfalls bis zum 67. Lebensjahr arbeiten, wobei er noch im Durchschnitt mit viel weniger Rente abgespeist wird, da er in der Regel ein wesentlich geringeres Durschnittseinkommen hatte , trotzdem er durchschnittlich 10 Jahre länger arbeiten durfte.
Auch die Anrechnung des Wehr/Zivildienstes hat keien Einfluss auf das Renteneintrittsalter, die Frauen dürfen sogar noch früher als die Männer ohne Abschläge in Rente gehen.
Ist diese Rentenregelung gerecht?
Ihre Meinung dazu würde mich interesssieren.
Mit freundlichen Grüßen
Gottlob Veit
Sehr geehrter Herr Veit,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Sie sprechen ein Thema an, das auch mich umtreibt. Beim Thema Rente habe ich eine differenzierte Haltung und ich bin auch nie für die Rente mit 67 eingetreten. Kurzum – hier habe ich eine andere Meinung wie die Mehrheit meiner Fraktion. Zusammen mit GewerkschaftsGrün, deren Sprecherin ich bin, habe ich auch vielfältige Beschlüsse zur Rente gefasst.
Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels muss eine Rentenreform solidarisch und gerecht ausgestaltet werden. So muss sichergestellt werden, dass bei der Rente die Verschiedenheit der Lebens- und Erwerbsbiografien besser als bisher berücksichtigt werden, denn es macht einen Unterschied, ob jemand lange Zeit am Bau, in der Altenpflege oder Universitätslehre tätig war und ob jemand mit 15 Jahren oder erst mit 30 Jahren in das Berufsleben eingestiegen ist. Da bin ich also ganz Ihrer Meinung. Gleichzeitig muss dem Wandel der Erwerbsarbeit mit prekären und atypischen Beschäftigungsverhältnissen Rechnung getragen werden, damit niemand im Alter ein Leben in Armut fürchten muss.
Die beschlossene Anhebung der Regelaltersgrenze wird für die Menschen bereits ab 2012 ein erhöhtes Risiko für Altersrenten mit Rentenabschlägen mit sich bringen. Meine Meinung ist also, dass die Rente mit 67 an der Lebensrealität der Beschäftigten vorbei geht, da bereits heute das durchschnittliche Renteneintrittsalter weit unter der bisherigen Regelaltersgrenze liegt. Es droht Altersarmut.
Der bisherige starre Übergang in die Rente entspricht nicht mehr der heutigen gesellschaftlichen Situation. Nur weil wir alle älter werden, muss keineswegs die Regelaltersgrenze bei der Rente ausgedehnt werden. Wer physisch und psychische in der Lage ist und auch über die Altersgrenze von 65 Jahren hinaus arbeiten will, soll dafür auch die Möglichkeiten erhalten. Aber die Arbeitsbelastung ist individuell und auch entlang der verschiedenen Branchen und Berufsgruppen sehr unterschiedlich. Deshalb muss eine solidarische Rentenversicherung die individuelle Leistungsfähigkeit und gesundheitliche Belastbarkeit berücksichtigen. Das Erreichen einer abschlagsfreien Rente kann also nicht unterschiedslos für alle gleich ausgestaltet werden.
Ich plädiere dafür, dass langjährig Beschäftigte nach 45 Versichertenjahre unabhängig vom Alter eine Rente ohne Abschläge beziehen können. Beschäftigte, die körperlich oder psychisch besonders belastende Tätigkeiten ausgeführt haben, sollen auch früher in Rente gehen können. Vor allem muss die Erwerbsminderungsrente reformiert werden, denn es ist ungerecht, wenn Beschäftigte, die arbeitsbedingt krank werden, in der Rente Abschläge hinnehmen müssen.
Kurzum – auch ich meine, dass es heute bei der Rente nicht gerecht zugeht.
Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen ausreichend meine Meinung zur Rente darlegen konnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Beate Müller-Gemmeke