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Andrea Lindlohr
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martin S. •

Frage an Andrea Lindlohr von Martin S. bezüglich Recht

„Das Heil aller Demokratien hängt von einer geringfügigen technischen Einzelheit ab – dem Wahlrecht. Alles andere ist sekundär.“ (José Ortega y Gasset).

Letzte Woche wurde im Landtag beschlossen, das ungerechte Auszählungsverfahren nach d´Hondt durch das etwas weniger ungerechte Auszählverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers zu ersetzen, dennoch aber die wenig nachvollziehbare Unterverteilung der Parteimandate auf die Regierungsbezirke zu belassen - mit Wirkung ab der Landtagswahl 2011!
Es bleibt aber bei mehreren eklatanten "Ungerechtigkeiten":
-Der Wähler hat (im Gegensatz zu BT-Wahl u. Wahlen anderer Bundesländern) in 3 Wochen und auch zukünftig nur eine Stimme für Partei und Wahlkreiskandidat. Er muss also den Spagat der Verquickung von ohnehin schwieriger Entscheidung für ein Parteiprogramm mit der Bevorzugung eines Wahlkreiskandidaten schaffen!
2) Im kommunalen Wahlrecht z.B. hat der Wähler in Ba-Wü mit seiner Möglichkeit zu Panaschieren u. zu Kummulieren einen viel größeren Einfluss auf die unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit zustandegekommenen Listen- und Kandidatenvorschläge der Parteien.
3) Im Landtagswahlrecht hat eine Stimme für eine Partei/einen Kandidaten aus einem relativ kleinen Wahlkreis nur eine geringere Erfolgsaussicht, einen Kandidaten, der das Direktmandat verfehlt, "durchzukriegen", weil bei der Verteilung der Zweitmandate die absoluten Wahlergebnisse in den Wahlkreisen ausschlaggebend sind.

Meine Fragen:
1) Wie denken Sie über die Gerechtigkeit des Landtagswahlrechtes?
2) Was haben Sie evtl. für Änderungsvorschläge?
3) Wie werden Sie zukünftig in Partei, Fraktion, Landtag, sonstwo diesbezüglich handeln?

Ich erlaube mir noch einen Schlussgedanken: Die Politik-, Partei- u. Wahlverdrossenheit großer Teile des Volkes kann man nicht dadurch eindämmen, dass man es dem Wähler so einfach wie möglich macht. Gibt man ihm bei der Wahl die Möglichkeit, seinen Willen differenziert auszudrücken, dann wird er dies auch tun.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schubert,

da stimme ich Ihnen zu: Das Landtagswahlrecht in Baden-Württemberg ist ungerecht und begünstigt in ungerechtfertigter Weise vor allem die CDU.

Das Landtagswahlrecht verstößt doppelt gegen mein persönliches Demokratieverständnis. Zum einen verstößt es schon mathematisch gegen die Gleichheit der Wahl: Eine Stimme in einem großen Wahlkreis hat mehr Gewicht als in einem kleinen. In großen Wahlkreisen können die Wähler die Verteilung von bis zu vier Mandaten mit ihrer Stimmabgabe erreichen, in kleinen Wahlkreis wird es fast immer nur einen Abgeordneten geben. Und dabei schwankt die Zahl der Wahlberechtigten pro Wahlkreis weiterhin zwischen 136.000 (Tübingen) und 81.000 (Heilbronn). Und vor allem müssen die Parteien unterschiedlich viele Stimmen aufbringen für ein Mandat – am wenigsten Stimmen braucht die CDU.

Zum anderen ist es schlichtweg so, dass die Bürger dieses Wahlrecht nicht kennen. Immer wieder werde ich nach meinem Listenplatz gefragt, den es nun mal nicht gibt - und das selbst von schwäbischen Politikwissenschaftlern.

Eine Wahl, die nicht verstanden wird, ist demokratisch angreifbar, weil die Bürgerinnen und Bürger nicht wirklich wissen, was mit ihrer Stimme passiert.

Wir Grüne fordern seit langem ein Zweistimmenwahlrecht mit Bezirkslisten und einem allgemein anerkannten Auszählverfahren wie Hare/Niemeyer, dass bei der Bundestagswahl und an vielen anderen Stellen angewandt wird. Die Änderung, die CDU und FDP mit der Auszählung nach Sainte-Lague/Schepers jetzt noch schnell für 2011 beschlossen hat, ändert nichts an den grundsätzlichen Mängeln des Systems. Wenn man das letzte Wahlergebnis zu Grunde legt, braucht die CDU weiterhin nur 32.000 Stimmen für ein Mandat, die Grünen aber 35.000 Stimmen.

Fazit: Ein besseres Wahlrecht in Baden-Württemberg bekommen Sie am wahrscheinlichsten, indem Sie Grün in die Regierungsverantwortung wählen

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