Frage an Andrea Lindlohr von Sina P. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Lindlohr,
ich heiße Sina Pfannkuch und bin 17 Jahre alt und gehe auf das Philipp-Matthäus-Hahn-Gymnasium.
Ich finde Ihr Angebot sehr interessant und möchte Ihre Meinung über Jugendgewalt und Alkoholmissbrauch der Jugendlichen wissen. Da der Vorfall in München mit dem 50-jährigen Mann, der Kinder in der S-Bahn beschützen wollte, zu Tode verprügelt wurde, sehr schockierend war.
Wie ist Ihre Sicht auf diesen Vorfall? Und wie würden Ihre Maßnahmen aussehen, um so etwas zu verhindern? Wie wollen Sie mit der mehrfach aufkommender Gewalt unter Jugendlichen weiter umgehen?
Wie ist Ihre Sicht zum Alkoholmissbrauch der Jugendlichen? Sind Sie der Meinung, dass es passende Maßnahmen dafür geben sollte bzw. Verschärfungen des Jugendschutzgesetzes in Hinsicht auf Alkohol?
Ich würde mich über eine Antwort sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Sina Pfannkuch
Liebe Sina Pfannkuch,
auf Ihre berechtigte und schwierige Frage habe ich - wie wohl alle vernünftigen Menschen - keine einfache Antwort. Die Tötung des Mannes in München macht uns ja auch deswegen so sprachlos, weil das Opfer jemand war, der geholfen hat, der die berühmte Zivilcourage gezeigt hat.
Eine gewaltfreie Gesellschaft habe ich nicht in petto. Respekt vor allen anderen Menschen zu lernen gehört sozusagen zur Menschwerdung und ist in erster Linie eine Erziehungsaufgabe für die Familien, aber die Schulen könnten als Ort sozialen Lernens sicher dazu noch mehr beitragen. Mein bestes Rezept gegen zuviel trinkende Jugendliche sind Erwachsene, die ihnen das nicht vormachen. Ich bin aber überzeugt, dass härtere Jugendstrafen bei Tötungsdelikten nichts bringen würden. Zehn Jahre, so die heutige Höchststrafe, ist für Jugendliche bereits eine beinahe unendlich lange Zeit. Eine längere Höchststrafe hätte sicher weder die Täter von München noch andere extrem gewalttätige Jugendliche von ihren schlimmen Taten abgeschreckt.
Gegen extremen Alkoholkonsum von Jugendlichen und jungen Erwachsenen - letzteres beobachte ich viel häufiger - gibt es viele bestehende Gesetze. Nach dem Jugendschutz ist klar, dass Jugendliche keine hochprozentigen Alkoholika bekommen dürfen - nicht im Supermarkt, nicht in der Kneipe, nicht von irgendwelchen Erwachsenen. Außerdem dürfen nach dem Gaststättenrecht und anderen Vorschriften keine alkoholischen Getränke an bereits stark alkoholisierte Menschen jedweden Alters ausgeschenkt werden. Dass viele der ach so gemütlichen deutschen Eckkneipen genau davon leben, obwohl es verboten und medizinisch und ethisch falsch ist, ist in Echterdingen sicher auch zu beobachten. Flatrate-Partys waren nach meiner Rechtsauffassung schon immer illegal, es gab sie aber trotzdem.
Diese Gesetze werden also nicht eingehalten. Mehr Kontrollen durch Polizei und Ordnungsämter ist die eine richtige Antwort. Noch wichtiger wäre aber, dass eine breite Mehrheit der Gesellschaft diese Regeln akzeptiert, statt sie still schweigend geduldet zu unterlaufen. Alkohol kann nicht nur süchtig machen, sondern ist auch unmittelbar toxisch. Ich will nicht akzeptieren, dass so viele Menschen in Deutschland deshalb sterben. Aus meiner Sicht ist es an der Zeit, darüber ehrlicher zu diskutieren, und das anzustoßen ist auch eine Aufgabe der Politik.
Ihnen alles Gute,
mit freundlichen Grüßen,
Andrea Lindlohr