Was halten Sie von der Initiative zur Prüfung der Verfassungstreue der AfD beim Bundesverfassungsgericht? Und würden Sie diese unterstützen?
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Die AfD ist eine Partei, die zurecht in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Sie versucht, unsere demokratisches politisches System zu zerstören, indem sie Angst schürt, Misstrauen gegen demokratisch gewählte Gremien, Parlamente und Regierungen sät und damit einen Nährboden für Hass und Hetze in der Gesellschaft bereitet. Auf die komplexen Fragen in unserer Welt hat sie keine Antworten. Ihre Antworten sind in Wirklichkeit keine, sondern nur Vereinfachungen, eine autoritäre Rhetorik, die allein darauf abzielt, noch mehr Menschen auf ihre Seite zu ziehen und unsere Demokratie auszuhöhlen. An einer wissenschaftlichen und faktenbasierten Auseinandersetzung mit aktuellen Herausforderungen oder einer demokratischen Entscheidungsfindung ist sie nicht interessiert.
Als Gesellschaft müssen wir wehrhaft sein. Gemäß Karl Poppers Aussage „Keine Toleranz der Intoleranz“, muss die offene Gesellschaft ihre Werte verteidigen. Darum gilt es, die AfD zu beobachten, mit Argumenten zu stellen und stets wachsam zu sein. Eine Kooperation mit ihr muss immer und überall ausgeschlossen sein.
Ein Verbot der AfD hätte einige Konsequenzen: Die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch und es kann Jahre dauern, bis es soweit ist. In dieser Zeit kann die AfD genau diesen Umstand nutzen, um sich zum Opfer zu stilisieren (das hat sie bereits häufiger getan) und damit ihren Ruf als vermeintliche Alternative gegen die etablierten Parteien ausbauen. Denn die Opferrolle ist etwas, dass sie noch weiter anschlussfähig macht für diejenigen, die sich von Staat und Politik alleingelassen fühlen.
Dass unsere Verfassungsordnung ein derartiges Verfahren vorsieht, ist wichtig. Mit der Möglichkeit eines Parteiverbots kann sich unsere demokratische Grundordnung gegen entsprechende Angriffe wehren. Gleichzeitig hat die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der gescheiterten NPD-Verbotsverfahren nochmals aufgezeigt, dass dieses scharfe Schwert nur unter strengsten Voraussetzungen und somit als ultima ratio eingesetzt werden darf. Schließlich handelt es sich bei einem Parteienverbot um einen Eingriff in den Kernbereich unserer demokratischen Verfassungsordnung, welche Parteien als zentrale Akteure vorsieht. Daher kann ein solches Verfahren nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich erfüllt werden und damit alle Voraussetzungen für ein erfolgreiches Verfahren vorliegen. Hier bedarf es einer umfassenden und mit größter Sorgfalt betriebenen Prüfung.
Aus meiner Sicht ist hier die Vorarbeit und Bewertung durch die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder zentral. Derzeit wird die AfD auf Ebene des Bundes sowie auf Ebene ihres baden-württembergischen Landesverbandes durch die zuständigen Verfassungsschutzämter als Verdachtsfall eingestuft. Die Verfassungsschutzämter sind noch im laufenden Prüfungsverfahren. Erst auf der Grundlage einer Bewertung durch die Verfassungsschutzämter kann eine politische Entscheidung durch die antragsberechtigten Verfassungsorgane (Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung) getroffen werden, ein gegen die AfD gerichtetes Parteienverbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten.
Ich sehe es als Problem an, dass sich immer mehr Menschen der AfD zuwenden, obwohl alle Fakten auf dem Tisch liegen: Sie ist antidemokratisch, teilweise rechtsextrem, statt guter Lösungen setzt sie auf Angst, um ein autoritäres Herrschaftssystem zu etablieren. Hier müssen wir mit konsequenter Aufklärung, Bildungsarbeit, guter politischer Arbeit und guter politischer Kommunikation dafür sorgen, dass das Vertrauen der Menschen in die Politik gestärkt wird. Ein Verbot – auch wenn es erfolgreich sein würde – würde die Stimmung in unserer Gesellschaft nicht ändern. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat 2020 das Dokumentationszentrum Rechtsextremismus aufgebaut und wird als weitere Maßnahme eine universitäre Forschungsstelle Rechtsextremismus aufbauen. Und wir werden weiterhin unserer Strategie gegen Rechtsextremismus in Baden-Württemberg verfolgen und alles in unserer Macht stehende tun, um und gegen die AfD und andere rechtsextreme und antidemokratische Gruppen zu stellen und ihren Einfluss zu begrenzen.