Kanada und das Lobbyregister
Treffen der Shell-Chefin mit Politikern
Welche Lobbyisten im Bundestag ein und aus gehen, welches Lobbybudget ein Unternehmen hat und in wessen Auftrag z.B. Anwaltskanzleien arbeiten - all dies erfährt die deutsche Öffentlichkeit nicht. Statt eines verbindlichen und umfassenden Lobbyregisters gibt es hierzulande nur eine freiwillige Verbändeliste. Die Bundestagsverwaltung will nicht einmal mitteilen, welche Interessenvertreter einen Hausausweis für den Deutschen Bundestag haben. Gegen ein von abgeordnetenwatch.de erwirktes Transparenzurteil des Berliner Verwaltungsgerichts ist die Parlamentsverwaltung kürzlich in Berufung gegangen.
Dass umfassende Lobbytransparenz sehr wohl geht, zeigt eindrucksvoll das Beispiel Kanada. Dort wurde bereits 1989 mit dem Lobbyist Registration Act ein verpflichtendes Lobbyregister eingeführt. Lobbyisten müssen seitdem ganz genau angeben:
- für wen sie arbeiten
- mit wem sie sich treffen und wann
- um welches Gesetz oder Programm es geht
Diese Angaben werden dann vom Office of the Commissioner of Lobbying of Canada online gestellt und müssen jeden Monat von den Lobbyvertretern auf Änderungen überprüft und aktualisiert werden. Verstöße gegen dieses Gesetz können mit umgerechnet mit 140.000 Euro oder bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Wie umfangreich die Daten in Kanada sind, zeigt das Beispiel der Treffen von Shell Canada mit Politikern. Allein für die vergangenen zwölf Monate werden in der Datenbank mehr als drei Dutzend Zusammenkünfte von Konzernchefin Lorraine Mitchelmore mit Abgeordneten und Regierungsvertretern aufgeführt. Zusätzlich muss die Shell-Chefin angeben, an welchen gesetzlichen Regelungen sie mitgewirkt hat.
Das Problem ist nicht der Lobbyismus an sich, sondern der Lobbyismus im Geheimen. Wenn nicht bekannt ist, welche Konzernvertreter mit welchen politischen Entscheidungsträgern worüber sprachen oder ob sie hohe Summen an eine Partei gespendet haben, ist eine wirksame Kontrolle des Parlaments und des Regierungshandelns kaum möglich. abgeordnetenwatch.de fordert für Deutschland ein verbindliches Lobbyregister, aus dem u.a. hervorgeht, welche Lobbyisten Zugang zum Deutschen Bundestag haben. Hier Petition "Veröffentlichen Sie alle Ihre Lobbykontakte!" zeichnen.
Großbritannien und die Nebeneinkünfte
Nebeneinkünfte von Gordon Brown
Während die Bundestagsabgeordneten ihre Nebentätigkeiten nur in einem intransparenten Stufensystem veröffentlichen müssen (bzw. dürfen), sind die Mitglieder des britischen Unterhauses dazu verpflichtet, den genaueren Betrag ihrer außerparlamentarischen Einkünfte anzugeben. Wie das konkret aussieht, zeigt das Beispiel des ehemaligen Premierministers Gordon Brown. Der Labour-Abgeordnete muss bis auf den letzten Penny angeben, für was er Geld erhalten und wie viel Zeit er für seine Nebentätigkeiten aufgewendet hat.
Doch nicht nur bei den Nebeneinkünften gelten für die britischen Abgeordneten - anders als für ihr deutschen Kollegen - strenge Transparenzregeln. Auch Auslandsreisen, Geschenke von geringem Wert sowie Vermögen über 100.000 Pfund sind veröffentlichungspflichtig. Damit die Vorschriften auch eingehalten werden, wacht ein Beauftragter über die Vollständigkeit und zeitnahe Einreichung von Einträgen in das Register eines Abgeordneten. Gordon Brown etwa war einer der Top-Verdiener der letzten Legislaturperiode: Knapp eine Million Pfund verdiente er zwischen 2011 und 2015.
Im Gegensatz zu Deutschland lässt sich auf der Insel sehr viel besser nachvollziehen, wofür und von wem Abgeordnete Geld erhalten. Auf diese Weise lassen sich Interessenskonflikte einfacher aufspüren. abgeordnetenwatch.de fordert für Deutschland die Offenlegung der Nebeneinkünfte auf Euro und Cent. Hier Petition "Verschleierung von Nebeneinkünften stoppen!" zeichnen.
Frankreich und die Parteispenden
Recherche-Portal für Parteispenden in Frankreich
Parteispenden müssen in Deutschland erst ab 50.000 Euro sofort im Internet im veröffentlicht werden. Wer weniger spendet, dessen Namen wird zum Teil erst mit bis zur zwei Jahren Verspätung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich - wenn überhaupt. Denn Zuwendungen unter 10.000 Euro müssen überhaupt nicht offengelegt werden. Eine generelle Obergrenze für Parteispenden gibt es laut Parteiengesetz nicht.
Ganz anders in Frankreich. Dort sind Spenden von Unternehmen/Verbänden an Parteien generell verboten, Spenden von Privatpersonen dürfen nicht über 7.500 Euro/Jahr liegen. Zuwendungen ab 150 Euro müssen per Scheck eingereicht werden und dürfen nicht mehr in bar erfolgen (in Deutschland liegt die Grenze für Barspenden bei 1.000 Euro). Für Spenden während des Wahlkampfes gibt es eine Obergrenze von 4.600 Euro. Angaben zu Spendern und ihren Zuwendungen sind in einem öffentlichen Portal aufrufbar.
Nur strenge Transparenzregeln ermöglichen öffentliche Kontrolle und Kritik. abgeordnetenwatch.de fordert für Deutschland u.a. eine sofortige Veröffentlichung aller Parteispenden ab 10.000 Euro. Zudem müssen Unternehmensspenden wie in Frankreich verboten werden und das Politsponsoring transparenter werden. Hier Petition "Lobbyistenspenden an Parteien verbieten!" zeichnen.
Großbritannien, Frankreich, Kanada: Diese drei Länder zeigen, dass strenge Transparenzregeln möglich sind. Woran es in Deutschland mangelt, ist der politische Wille. abgeordnetenwatch.de wird durch Recherchen dazu beitragen, Missstände aufzudecken und auf diese Weise öffentlichen Druck zu erzeugen.
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