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Unsere Klage zu Lobbyisten-Hausausweisen: Bundestag geht in Berufung

Der Deutsche Bundestag will weiter geheim halten, welche Lobbyisten ungehinderten Zugang zu den Büros unserer Abgeordneten haben. Im Prozess um die Veröffentlichung von Lobbyistennamen ist die Parlamentsverwaltung jetzt auf Drängen von Union und SPD in Berufung gegangen - damit steht uns ein jahrelanger Rechtsstreit bevor.

von Martin Reyher, 22.10.2015

Darum geht es:

Weil uns der Bundestag nicht mitteilen will, welche Lobbyisten über die Fraktionen einen Hausausweis erhalten haben, hat abgeordnetenwatch.de die Parlamentsverwaltung verklagt. Es geht um etwa 1.000 Interessenvertreter, die einen weitgehend ungehinderten Zugang zu Abgeordnetenbüros und Fraktionsräumen haben. Etwa 900 von ihnen verdanken ihren Hausausweis den beiden Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD - wer sie sind und in wessen Auftrag sie arbeiten, wollen die Beteiligten geheim halten.

Im Juni 2015 hat das Berliner Verwaltungsgericht unserer Klage auf Veröffentlichung der Lobby-Liste in allen Punkten recht gegeben. Allerdings will der Bundestag das Urteil nicht akzeptieren und ist nun in Berufung gegangen.

Was haben CDU/CSU und SPD mit der Berufung zu tun?

Obwohl sich unsere Klage gegen die (parteipolitisch neutrale) Bundestagsverwaltung richtet, war die Entscheidung über die Berufung eine parteipolitische. Beschlossen haben dies Union und SPD am 1. Oktober im Ältestenrat, Linke und Grüne votierten dagegen.

Dass die beiden Regierungsfraktionen ihre Lobbykontakte auf gar keinen Fall veröffentlicht sehen wollen, haben sie schon im April 2014 unter Beweis gestellt. Als abgeordnetenwatch.de damals alle vier Bundestagsfraktionen fragte, ob sie uns die Namen der Lobbyorganisationen freiwillig mitteilen, waren dazu nur Linke und Grüne bereit - Union und SPD weigerten sich und behaupteten, der Datenschutz spreche dagegen. Doch das ist nur vorgeschoben, wie die freiwillige Veröffentlichung der Oppositionsfraktionen zeigt. Auch aus Sicht des Berliner Verwaltungsgerichts gibt es keine grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken.

[Update 22.10.2015, 14 Uhr: Inzwischen hat die SPD ihre Lobbykontakte überraschend öffentlich gemacht.]

Warum der Bundestag auf Zeit spielt

Für uns besteht kein Zweifel daran, dass der Bundestag den Prozess in die Länge ziehen möchte. Als die Richter bei der mündlichen Gerichtsverhandlung im Juni eine sog. Sprungrevision in Aussicht stellten, also eine Verfahrensbeschleunigung durch Überspringen der zweiten Gerichtsinstanz, lehnte die Parlamentsverwaltung dies ab. Außerdem hat sie über ihre Anwälte bei Gericht schon dreimal eine Fristverlängerung beantragt. Die Frage ist natürlich: Warum spielt der Bundestag augenscheinlich auf Zeit?

Für CDU/CSU und SPD, die die treibenden Kräfte hinter der Berufung sind, könnte es äußerst unangenehm werden, wenn 2016 oder Anfang 2017 ein rechtskräftiges Urteil zu ihren Ungunsten gesprochen wird. Denn dann müssten die beiden Regierungsfraktionen womöglich mitten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes offenlegen, welchen Lobbyisten sie jahrelang ungehinderten Zugang zum Deutschen Bundestag bewilligt haben und den Wählerinnen und Wählern erklären, warum sie deren Identität unbedingt unter der Decke halten wollten. Dass das Bekanntwerden der Namen für Union und SPD ziemlich delikat ist, zeigt ihre Weigerung, diese freiwillig zu veröffentlichen.

Sollte der Prozess durch alle drei Gerichtsinstanzen gehen (wonach es derzeit aussieht), könnte es bis zu einem rechtskräftigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes noch mehrere Jahre dauern - zumal wenn die Anwälte des Bundestages weitere Male eine Fristverlängerung beantragen.

Warum die Transparenzverweigerung des Bundestages für die Steuerzahler richtig teuer wird

Der Bundestag lässt sich nicht von den eigenen Hausjuristen vertreten, sondern hat eine namhafte Anwaltskanzlei beauftragt. Redeker Sellner Dahs vertrat  u.a. schon den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff in der Kredit-Affäre sowie Alt-Kanzler Helmut Kohl in der Flick-Affäre.

Anders als abgeordnetenwatch.de kann der Deutsche Bundestag in dem langwierigen Prozess finanziell aus dem Vollen schöpfen: Für die teuren Anwaltshonorare müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufkommen. Für ähnliche Prozesse wie den jetzigen hat Redeker Sellner Dahs in der Vergangenheit mehrere zehntausend Euro an Honorar kassiert.

Das können SIE tun:

  • In dem langwierigen Rechtsstreit helfen Sie uns besonders, wenn Sie uns als Förderin/Förderer mit einer monatlichen Spende unterstützen.
  • Zeichnen und verbreiten Sie unsere Petition "Veröffentlichen Sie alle Ihre Lobbykontakte!" - für eine Offenlegung in einem verbindlichen Lobbyregister. Über 70.000 Menschen haben schon unterschrieben.
  • Machen Sie Freunde und Bekannte auf die Transparenzverweigerung des Bundestages aufmerksam. Teilen Sie z.B. diesen Artikel in den Sozialen Netzwerken. Lassen Sie sich mit unseren Newsletter über neue Entwicklungen und weitere abgeordnetenwatch.de-Recherchen informieren (Sie können den Newsletter jederzeit abbestellen).

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