Frage an Wolfgang Fackler von Erich R. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Fackler,
Im Jahr 2011 (nach der Katastrophe von Fukushima) hat die bayerische Staatsregierung das Konzept „Energie Innovativ“ vorgestellt. Darin heißt es, dass bis 2021 ca. 1500 neue Windkraftanlagen (damaliger Stand 400) errichtet werden sollen.
Nach einer Erhebung des bay. Wirtschaftsministeriums waren Ende des Jahres 2019 nur 1118 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 2,5 GW am Netz.
Mit welchen Initiativen will die Landtagsfraktion der CSU die die bayerische Staatsregierung unterstützen, um in der verbleibenden knappen Zeit das Ziel doch noch zu erreichen?
Diese Frage ist insbesondere auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die ersten PV- und Biogasanlagen aus der Förderung des EEG fallen und dann nicht mehr ins allgemeine Stromnetz einspeisen dürfen(!) und somit voll funktionsfähiger Schrott sind.
Vielen Dank für eine umfassende Antwort.
Sehr geehrter Herr Rieder,
Ihre Frage zeigt, dass wir beim Thema Energiewende eine selektive Wahrnehmung erleben. Denn über die Regeln der Technik und der Wirtschaftlichkeit spricht offensichtlich niemand. Als Beispiel möchte ich die derzeitige Situation der Stromversorgung anführen: Demnach verfügt Bayern laut aktuellen Zahlen des Wirtschaftsministerium über eine installierte Gesamtleistung von ca. 29,5 Gigawatt (GW). Zu dieser Gesamtleistung tragen unter anderem die Photovoltaik (PV) mit 13 GW, die Windkraft mit 2,6 GW und die 2023 auslaufende Atomenergie mit 2,7 GW bei. Die Höchstlast in Bayern liegt gleichzeitig bei etwa 12 bis 13 GW, um den erforderlichen Strombedarf zu erzielen. Diese Zahlen zeigen, dass man bilanziell bereits heute durch den bisherigen Ausbau von Windenergie und Photovoltaik den bayerischen Bedarf decken könnte. Das ist eine positive Entwicklung, die selbstverständlich fortgesetzt werden muss. Der Freistaat Bayern baut deshalb ab 1. Juli die Freiflächen-Photovoltaik kraftvoll aus. Dennoch dürfen wir den entscheidenden Unterschied zwischen installierter Leistung und gesicherter Leistung nicht ausblenden.
Die gesicherte Leistung der Photovoltaik liegt nämlich laut der Übertragungsnetzbetreiber bei null Prozent und bei Windkraft (onshore) bei gerade mal einem Prozent. „Diese Annahmen zeigen, dass wir ausschließlich mit Wind und PV also nie eine gesicherte Stromversorgung aufbauen können, egal wie viel noch weiter ausgebaut wird.
In der Konsequenz entsteht damit ein technisches Versorgungsproblem, das durch die Erzeugungsvolatilität auf der einen und der Verbraucherunflexibilität auf der anderen Seite verstärkt wird. Der Verbraucher ruft den Strom nach seinen Bedürfnissen ab, was nicht automatisch dann zum gleichen Zeitpunkt ist, wenn er erzeugt wird. Die Kostenentwicklung kennt damit nur die Richtung nach oben.
Deshalb braucht es für Windflauten, sonnenarme Tage oder Nachts tragfähige Lösungen zum Speichern, denn nur so wird die Energiewende zur Revolution. Ich möchte hier die Ansätze Batterien, Wasserstoff oder Power-to-Gas nennen. Die „bayerische Wasserstoffstrategie“ soll 50 Mio. Euro für Forschung und Förderung umfassen. Leider kommt derzeit die klassische Speicherung wegen Umwandlungsverlusten an ihre Grenzen, v.a. wenn es darum geht, große Energiemengen über einen langen Zeitraum zu speichern. Gleichzeitig sind die Kosten drei oder viermal so hoch wie der reguläre Gaspreis, so dass eine Marktreife Stand heute noch weit entfernt liegt. Wichtig ist es deshalb auch, eine neue Lösung für Biogas- und PV-Anlagen zu finden. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EEG müssen Netzbetreiber (vorbehaltlich des § 14 EEG) den gesamten Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas, der in einer Veräußerungsform nach § 21b Absatz 1 veräußert wird, unverzüglich vorrangig physikalisch abnehmen, übertragen und verteilen. In § 21b Abs. 1 Nr. 4 ist als zulässige Veräußerungsform die sonstige Direktvermarktung nach § 21a EEG genannt, welche zeitlich unbegrenzt genutzt werden kann.
Daher soll für ausgeförderte Kleinanlagen in der kommenden EEG-Novelle eine Folgelösung gefunden werden. Der Freistaat Bayern hat sich hierfür bereits 2019 im Rahmen einer Bundesrat-Initiative eingesetzt (BR-Drs. 432/19, Ziffer 5 lit. d-f).
Sehr geehrter Herr Rieder, der Aufbau der heutigen gut funktionierenden Stromversorgung für über 80 Mio. Menschen hat über 100 Jahre gedauert! Dennoch maßen sich einzelne Personengruppen an, zu fordern, die Energiewende müsse heute in „Lichtgeschwindigkeit“ umgesetzt werden.
Ich fordere Sie deshalb auf, nicht nur irgendwelche Zahlen als Ziele in eine Diskussion einzubringen, sondern auch realistische Wege aufzuzeigen unter Beachtung von technischen und wirtschaftlichen Aspekten ohne ideologische Brille.