Portrait von Ute Granold
Ute Granold
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ute Granold zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jürgen L. •

Frage an Ute Granold von Jürgen L. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Granold,

ich wende mich an Sie mit einer Frage zu Ihrer Antwort an Herrn Leusch bezüglich der Löschung der Daten über die Anordnung und die Begründung der Anordnung einer Überwachungsmaßnahme im Entwurf des BKA-Gesetzes, da hierdurch das verfassungsmäßige Recht eines Betroffenen, gegen Grundrechtseinschnitte seitens der Behörden gerichtlich vorzugehen, erschwert wird.

Sie antworten, ich zitiere: "Eine Kontrolle des BKA durch die Öffentlichkeit, das Parlament sowie die Betroffenen sehe ich jedoch trotz des Persönlichkeitsschutzes hinreichend gewahrt. Zum einen bestehen nach § 20w BKAG-E umfassende Benachrichtigungspflichten gegenüber den Betroffenen. Zum anderen gibt es ein umfassendes parlamentarisches Informations- und Kontrollinstrumentarium. Durch die mindestens einjährige Dokumentation ist sichergestellt, dass der Deutsche Bundestag bzw. einzelne Fraktionen oder Abgeordnete bei der Bundesregierung entsprechende Informationen einholen können." (Zitat Ende)

Der von Ihnen mit Zustimmung bedachte Gesetzentwurf beschreibt hingegen in §20w unter anderem: "Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. Zudem kann die Benachrichtigung einer in Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 bezeichneten Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen wurde und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat."

Die Geheimpolizei kann somit nach Gutdünken von einer Benachrichtigung von Betroffenen, die keine Zielpersonen sind, absehen, indem sie einfach behauptet, der Betroffene habe daran gar kein Interesse ("unerheblich" ist ein dehnbarer Begriff). Die garantierte Benachrichtigung von Abgeordneten und Fraktionen dürfte für den durch den Staat in seinen Grundrechten Geschädigten ohne Belang sein.

Wie können Sie diese offensichtliche Diskrepanz erklären?

Mit freundlichem Gruß

Jürgen Lehnert

Portrait von Ute Granold
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Herr Lehnert,

vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch, in der Sie die im BKA-Gesetz geplante Regelung der Benachrichtigungspflichten (§ 20w BKAG-E) kritisieren.

Bei nicht erkennbaren Eingriffen steht dem Betroffenen auf Grund der Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes grundsätzlich ein Anspruch auf spätere Kenntnis der staatlichen Maßnahme zu. Insofern stimme ich Ihnen zu. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seiner Entscheidung zum akustischen Wohnraumüberwachung ("Großer Lauschangriff") mit Blick auf die entsprechenden Benachrichtigungspflichten in der Strafprozessordnung explizit festgestellt, dass dieser Grundsatz im Interesse zufällig betroffener Bürger eingeschränkt werden kann bzw. in bestimmten Fällen sogar einzuschränken ist. So führt das Bundesverfassungsgericht u.a. Folgendes aus (BVerfG, Urteil v. 03.03.2004 -- 1 BvR 2378/98, Rn. 298):

"Allerdings kann die Benachrichtigung weiterer Beteiligter den Grundrechtseingriff bei der in erster Linie betroffenen Zielperson der Maßnahme vertiefen. Das gilt insbesondere, wenn die Überwachung keine verwertbaren Ergebnisse erbracht hat. Außerdem kann die Benachrichtigungspflicht dort auf praktische Hindernisse stoßen, wo die Identität des Beteiligten im Rahmen der Maßnahme der Behörde nicht bekannt geworden ist. Auch die Nachforschung zur Feststellung der Identität sonstiger Beteiligter könnte den Grundrechtseingriff sowohl für die Zielperson wie für sonstige Beteiligte noch vertiefen. Das Bestehen von Benachrichtigungspflichten hängt unter diesen Umständen von einer Abwägung ab. Für sie ist zum einen die Intensität des Überwachungseingriffs bedeutsam, insbesondere in welchem Umfang und zu welchem Inhalt Kommunikation des unbekannten Betroffenen abgehört und aufgezeichnet worden ist, und zum anderen, welchen Aufwand die Feststellung der Identität des Betroffenen fordert und welche Beeinträchtigungen mit ihr für die Zielperson und sonstige Beteiligte verbunden sein könnten." (...)

Demnach kann ein Verzicht der Benachrichtigung betroffener Dritter also gerade mit Blick auf deren Grundrechtsschutz geboten sein. Eben dieser Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts haben wir mit der jetzt gefundenen Formulierung Rechnung getragen, indem wir die grundsätzliche Benachrichtigungspflicht im Interesse des Grundrechtsschutzes der betroffenen Person einschränken, soweit ihr "überwiegende schutzwürdige Belange" dieser Person entgegenstehen. Dabei haben wir uns im Übrigen an der Benachrichtigungsregelung in der Strafprozessordnung (§ 101 StPO) orientiert.

Eine etwaige Diskrepanz zwischen dem Grundsatz der Benachrichtigung einerseits und der zu erwartenden Praxis durch das BKA bzw. die Gerichte andererseits kann ich angesichts dieser differenzierten, an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientierten Regelung folglich nicht erkennen.

Woher Ihr offenbar grundsätzliches Misstrauen gegenüber unseren Sicherheitsbehörden kommt, erschließt sich mir nicht. Ich hingegen habe keinerlei Zweifel, dass das BKA die neue Benachrichtigungsregelung in verantwortungsvoller Weise und unter Wahrung rechtsstaatlicher Standards anwenden wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Granold