Frage an Ute Granold von Charly H. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Granold,
In Berlin demonstriert seit einigen Wochen eine Gruppe Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor. Sie haben zuvor einen Fußmarsch über 600 Kilometer auf sich genommen, bewusst ihre Residenzpflicht verletzt und damit ihre Abschiebung riskiert, um auf ihre missliche Lage aufmerksam zu machen.
Asylbewerber flüchten aus teils schwierigsten Verhältnissen, Kriegen, politischer oder ethnischer Verfolgung nach Deutschland. Der Umgang des deutschen Staates mit diesen Menschen ist meines Erachtens nicht dem Selbstverständnis einer freiheitlichen, pluralistischen und sozialen Demokratie genügend. Zu kritisieren sind die materielle Versorgung, der Mangel an Anwälten und Dolmetschern für die Asylverfahren, die Dauer der Asylverfahren, auch durch Kettenduldung, Abschiebehaft für Menschen in schwacher Verfassung über einen teils langen Zeitraum, das Arbeitsverbot mit nachfolgendem Nachrang, die Residenzpflicht, die Sammellager an der Peripherie von Städten, bürokratische Hürden, die z.B. die Aufnahme eines Studiums erschweren.
Die Flüchtlingszahlen in Deutschland sind lange Zeit rückläufig gewesen, stehen auch heute in keinem Vergleich zu denen der 90er-Jahre und stellen erst recht keine Bedrohung für die ökonomische Stabilität oder den sozialen Friedens Deutschlands dar. Deutschland ist das bevölkerungsstärkste Land Europas und eines mit weitverbreitetem Wohlstand, die pro Kopf getragene Last ist in unserem Land bei Weitem nicht die größte in Europa.
Die Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor sind inzwischen bei Eiseskälte ein zweites Mal in den Hungerstreik getreten, da sie sich von politischen Entscheidungsträgern nicht gehört fühlen.
Ich möchte daher gerne wissen, ob Sie und andere Mitglieder Ihrer Fraktion mit Asylbewerbern am Brandenburger Tor oder anderswo in den Dialog getreten sind oder treten wollen und was Sie zu tun beabsichtigen, um die Lage der Asylbewerber in Deutschland zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Charly Heberer
Sehr geehrter Herr Heberer,
vielen Dank für Ihre Fragen zu der Flüchtlingsgruppe vor dem Brandenburger Tor, die Sie mir über Abgeordnetenwatch gestellt haben.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, meine Kollegin Maria Böhmer MdB, hat Ende November ein Gespräch zwischen den Flüchtlingen und Abgeordneten des Bundestags-Innenausschusses vermittelt. Darüber hinaus gibt es auch von Seiten der Stadt Berlin Bemühungen, eine Lösung zu finden.
Als Obfrau der Unionsfraktion im Menschenrechtsausschuss des Bundestages verfolge ich die Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik mit besonderem Interesse. Nach meiner Auffassung wäre ein auf EU-Ebene abgestimmtes dauerhaftes Resettlementverfahren in enger Kooperation mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk der beste Weg, um Flüchtlingen eine neue Perspektive in Europa geben zu können.
Die ersten Schritte dazu sind bereits unternommen worden: So konnten bis April 2010 auf Initiative der AG-Menschenrechte der Unionsbundestagsfraktion insgesamt 2.501 irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien in Deutschland aufgenommen werden. Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen mit dieser ersten Maßnahme hat die Innenministerkonferenz 2011 beschlossen, bis 2014 insgesamt 900 weitere Flüchtlinge im Rahmen eines Resettlement-Verfahrens in Deutschland aufzunehmen. Am 9. Oktober 2012 ist eine erste Gruppe von 105 irakischen Flüchtlingen aus der Türkei in Hannover eingetroffen.
Ich werde mich im Rahmen meiner politischen Arbeit weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, dass wir bald die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer dauerhaften Implementierung einer Resettlementlösung machen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Granold