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Ute Granold
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Frage von Andreas R. •

Frage an Ute Granold von Andreas R. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Granold,

meiner Meinung nach, wird das neue Unterhaltsrecht von den Gerichten nicht ordnungsgemäß umgesetzt.
Dazu auch folgendes Zitat des "ISUV":
"Nürnberg (ISUV). Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) kritisiert die Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte. Dort wird, was der Gesetzgeber ausdrücklich nicht wollte, ein neues, sogenanntes Altersphasenmodell als Leitlinie für die Familiengerichte propagiert. Damit ist gemeint, dass dem betreuenden Elternteil nur phasenweise eine Ausdehnung der Erwerbstätigkeit entsprechend dem Alter des Kindes zugemutet wird. In der Praxis sieht das so aus, dass der betreuende Elternteil erst dann Vollzeit arbeiten muss, wenn das Kind 15 Jahre alt ist. Unbestritten ist, dass dem betreuenden Elternteil nach der Geburt des Kindes ein dreijähriger Basisunterhalt zusteht."

Im Gesetz wird eine Beurteilung des Einzelfalls verlangt, die aber praktisch wieder durch die OLG´s ignoriert und wissentlich umgangen wird.
Was werden Sie unternehmen, um diese Rechtsbeugung zu unterbinden?

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Rudolph

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Rudolph,

vielen Dank für Ihre Frage vom 17.06.2008, in der Sie beklagen, dass es in verschiedenen OLG-Bezirken die Tendenz gibt, weiterhin das so genannte "Altersphasen-Modell" anzuwenden.

Entsprechende Berichte, über die in den vergangenen Tagen auch in verschiedenen Medien zu lesen war, habe ich mit ebenfalls mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Als zuständige Berichterstatterin meiner Fraktion im Rechtsausschuss war ich ganz wesentlich an den parlamentarischen Beratungen zu diesem zentralen rechtspolitischen Anliegen der Großen Koalition beteiligt. Ich nehme daher Ihre Sorgen sehr ernst.

Mit der Reform des Unterhaltsrechts wollten wir bewusst den Gerichten im Interesse einer größeren Einzelfallgerechtigkeit den entsprechenden Spielraum zur Verfügung stellen. Der richterliche Gestaltungsspielraum kann jedoch keineswegs soweit gehen, dass der Wille des Gesetzgebers missachtet wird. Ausgehend von diesem Maßstab wäre die Beibehaltung des "Altersphasen-Modells" -- praktisch "durch die Hintertür" -- zweifellos nicht mit dem seit dem 1. Januar 2008 geltenden Recht vereinbar.

Aus dem Wortlaut sowie der Entstehungsgeschichte, die man den Protokollen, Begründungen sowie der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses entnehmen kann, ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber mit der jüngsten Unterhaltsrechtsreform das von der Rechtsprechung entwickelte "Altersphasen-Modell" abschaffen wollte, um so die Diskriminierung nicht-ehelicher Kinder zu beseitigen und die nacheheliche Eigenverantwortung zu stärken.

Bei einer historischen bzw. teleologischen Auslegung der hier entscheidungserheblichen Vorschriften haben die Gerichte im Übrigen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007 (1 BvL 9/04) zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich unmiss­verständlich klargestellt, dass eine Differenzierung bei der Dauer des Betreuungsunterhalts, wie es im Rahmen des "Altersphasen-Modells" erfolgt, eine Diskriminierung nicht-ehelicher Kinder darstellt und daher verfassungswidrig ist.

Bedingt durch eben diese Entscheidung musste der Rechtsausschuss auch seine zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits abgeschlossene Beratung kurzfristig vertagen, um weitere Nachbesserungen vorzunehmen. In der Folge wurde dann u.a. die Dauer des Betreuungsunterhalts von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern auf mindestens drei Jahre angeglichen.

Nach alldem würde das Festhalten der Gerichte am bisherigen "Altersphasen-Modell" eine Missachtung der Rechtssprechung des Bundes­verfassungs­gerichts und der Intention des Gesetzgebers darstellen.

Auch wenn es uns verwehrt ist, auf Entscheidungen der Gerichte Einfluss zu nehmen, appellieren wir doch ganz ausdrücklich an alle Beteiligten, den Willen des Gesetzgebers zu respektieren und von der Fortführung des "Altersphasen-Modell" abzusehen.

Wir werden die weitere Entwicklung beobachten und gehen davon aus, dass nach einer Übergangsphase das neue Unterhaltsrecht in der Praxis umgesetzt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Granold (MdB)