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Ute Granold
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Frage von Martin B. •

Frage an Ute Granold von Martin B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Granold,

mich würde interessieren, aus welchen Beweggründen Sie für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt haben und welche Positionen sie zum Datenschutz haben.

Ich persönlich kann nicht sehen, wie die Vorratsdatenspeicherung zur Sicherheit in Deutschland beiträgt, da die entsprechenden kriminellen Gruppierungen diesen doch recht einfach umgehen können werden.
Ich persönlich habe da auch einige vielversprechende Ideen. Der Leidtragende ist für mich hier der Bürger, der immer mehr seiner Freiheit aufgeben muss und dessen Daten fröhlich auf irgendwelchen Servern rumschlummern. Ich persönlich sehe die Gefahr eines Mißbrauches wesentlich stärker, als die potentielle Sicherheit, die daraus entstehen kann. Man sieht ja, dass sich gerade die Musikindustrie doch um diese Daten bemüht, um Urheberechtsverletzungen (auch von Kindern ... ) zu verfolgen. Ist dies der Sinn des Gesetzes, um diese schweren Straftaten weiter zu verfolgen? Wird die Vorratsdatenspeicherung (die ja erstmal davon ausgeht, dass jeder verdächtig ist, bis sich dann monatelang keiner gemeldet hat und der Nutzer dann im nachhinein rehabilitiert wird) bei der Verbrechersuche nicht etwas überbewertet?

Vielleicht übersehe ich hierbei jedoch nur etwas und würde daher Ihre Meinung zu diesem Thema gerne einmal hören.

Mit freundlichen Grüßen,
Martin Bergner

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bergner,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13. Februar 2008, mit der Sie sich über Abgeordnetenwatch nach meinen Beweggründen erkundigen, die mich dazu veranlasst haben, für den Gesetzentwurf zur Vorratsdatensspeicherung zu stimmen. Darüber hinaus haben Sie mich auf diesem Weg aufgefordert, meine generelle Position im Hinblick auf das Thema Datenschutz zu verdeutlichen.

Lassen Sie mich zunächst den Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ aus rechtspolitischer Sicht näher erläutern.

Vorratsdatenspeicherung bezeichnet die Verpflichtung der Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Registrierung von elektronischen Kommunikationsvorgängen, ohne dass ein Anfangsverdacht oder konkrete Hinweise auf Gefahren bestehen. Die Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland mit dem „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ eingeführt worden. Das Gesetz wurde am 9. November 2007 in namentlicher Abstimmung von der Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags verabschiedet und am 26. Dezember 2007 von Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnet. Zum 1. Januar 2008 ist das Gesetz in Kraft getreten.

Zum Zweck der Strafverfolgung werden Telekommunikationsanbieter und Internetprovider verpflichtet, die Verkehrsdaten jeglicher Telekommunikation, namentlich von

- Telefonverbindungen (Rufnummern, Anrufzeit, Funkzellen, bei Internet-Telefondiensten auch die jeweilige IP-Adresse – jeweils die Daten des Anrufers aber auch des Angerufenen),

- Verbindungsaufbau mit dem Internet (die abgerufenen Inhalte selbst werden nicht beim Provider gespeichert),

- E-Mail-Verkehr (IP und Mailadressen von Absender, Empfänger und Zeitpunkte jedes Zugriffs auf das Postfach, jedoch nicht die Betreffzeile oder weitere Inhalte) sowie

- Fax- und SMS-Nachrichten (bei SMS auch indirekt der Standort durch Speicherung der Mobilfunkzelle) für sechs Monate „auf Vorrat“ zu speichern. Unberührt davon sind die im deutschen Telekommunikationsgesetz bereits verankerten Pflichten, staatliche Behörden bei der Ermittlung von Straftaten zu unterstützen.

Die Vorratsdatenspeicherung wird von Kritikerin als eine Vorstufe der Telekommunikationsüberwachung bezeichnet, da sie es erlaube, auf Basis der gespeicherten Daten weitgehende Analysen persönlicher sozialer Netzwerke zu erstellen. Darüber hinaus ist die Vorratsdatenspeicherung verfassungsrechtlich umstritten, da sie – wie auch von Ihnen erwähnt - in die Grundrechtspositionen sämtlicher Nutzer elektronischer Dienste eingreife. Inwieweit dieses Gesetz mit dem Grundgesetz verträglich ist, wird derzeit im Rahmen einer Klage beim Bundesverfassungsgericht geklärt.

Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann.

Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Ermittlungsinstrumente sollten deshalb aus rechtspolitischer Sicht – zumindest aus derjenigen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - nicht weiter beschränkt werden, als dies verfassungsrechtlich geboten ist. Die Vorratsdatenspeicherung ist ein solches Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist.

In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass die Telekommunikationsunternehmen bereits nach altem Recht berechtigt waren, Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken zu speichern. Soweit es um Aufklärung von schweren Straftaten oder von Straftaten ging, die mittels Telekommunikation begangen wurden, hatten die Telekommunikationsunternehmen den Strafverfolgungsunternehmen über diese Daten Auskunft zu erteilen (§ 100g StPO). Die nunmehr vorgenommenen Änderungen stellen also im Vergleich zur alten Rechtslage keine intensiveren Grundrechtseingriffe dar.

Mit der stetigen Zunahme sogenannter „Flatratetarife“ (danach wird nicht mehr nach konkreten Verbindungen, sondern pauschal abgerechnet) drohte das bisherige strafprozessuale Instrumentarium jedoch mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Auch mit Blick auf diese Entwicklung war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen – unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden – gesetzlich festzulegen.

Die schon bisher geltenden strengen Schutzvorschriften werden dabei selbstverständlich uneingeschränkt beibehalten. So setzt ein Auskunftsverlangen durch die Strafverfolgungsbehörden insbesondere einen konkreten Verdacht voraus, es darf keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung bestehen und schließlich unterliegt die Entscheidung dem Richtervorbehalt. Ein hohes rechtsstaatliches Niveau bleibt somit auch künftig gewährleistet.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch weiterhin die Inhalte der Telekommunikation (z.B. Emailtexte, SMS und Gespräche) nicht gespeichert werden dürfen. Die Speicherung beschränkt sich also ausschließlich auf die Verbindungsdaten, so dass der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entsprechend gering ausfällt.

Viele Menschen vergessen in diesem Zusammenhang oft, dass private Unternehmen über sehr viel mehr Informationen der Kunden verfügen und diese auch nutzen können, als es dem Staat jemals möglich wäre. So hinterlassen die Bürger insbesondere bei der Nutzung des Internets (z.B. Chats, Foren wie StudiVZ, Bestellen von Waren und Musik) eine Vielzahl von äußerst sensiblen Informationen über ihr Konsumverhalten bis hin zu privaten Fotos und Informationen aus der Privatsphäre, die von Privatunternehmen kommerziell genutzt und weitergegeben werden. Der damit verbundene, freiwillige Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung wiegt viel schwerer als die Speicherung von bloßen Verbindungsdaten. Trotzdem haben die Bürger kein Problem, privaten Unternehmen intimste Informationen zur Verfügung zu stellen. Dies ist umso unverständlicher, da im Gegensatz zur staatlich verordneten Vorratsdatenspeicherung hier keinerlei rechtsstaatliche Kontrolle erfolgt.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Granold