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Ute Granold
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Frage von Klaus P. •

Frage an Ute Granold von Klaus P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Frau Granold,

Verteidigungsminister und Wehrbeauftragter spielen „guter Cop-böser Cop“ um die Dolchstoßlegende (fehlender Rückhalt an der Heimatfront) neu zu platzieren. Dabei sind 64% der Wähler ( http://de.statista.com/statistik/daten/studie/5393/umfrage/afghanistan:-weiterer-aufenthalt-oder-rueckzug-der-bundeswehr/ ) gegen einen BW in Afghanistan. In anderen Themenbereichen ist es ähnlich. Haben die Analysten des Bundestages einen Zusammenhang zwischen der Politikverdrossenheit und der offensichtlichen Ignoranz im Abstimmungsverhalten unserer gewählten Volksvertreter herausgearbeitet ? Wird dieses Thema im Bundestag zur Kenntnis genommen oder überlässt man es den Parteien?

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüssen

Klaus Paulus

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Paulus,

vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch, in der Sie die wachsende Skepsis der Bürgerinnen und Bürger zum deutschen Engagement in Afghanistan thematisiert haben.

Deutschland hat als Mitglied der Staatengemeinschaft Rechte und Pflichten, auch gegenüber unseren Partnern in der Welt. Es ist Aufgabe der Politik, den Menschen zu vermitteln, warum wir uns deshalb auch außerhalb unseres Territoriums für Frieden, Freiheit und Sicherheit einsetzen müssen.
Lassen Sie mich Ihnen im Folgenden erläutern, warum der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan - trotz der Gefahren für unsere Soldatinnen und Soldaten - weiterhin notwendig ist.

Der Einsatz der Bundeswehr steht auf einer breiten internationalen, völkerrechtlich getragenen Basis. Der ISAF-Einsatz wurde vom UNO-Sicherheitsrat am 20. Dezember 2001 einstimmig als Reaktion auf die Anschläge des 11. September beschlossen; zwei Tage später beschloss der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit das Mandat zur deutschen Beteiligung an ISAF. Bereits im November 2001 fand die erste Afghanistan-Wiederaufbau-Konferenz auf dem Bonner Petersberg statt.

Entscheidend ist für mich jedoch ein anderer Punkt: Die Al-Qaida-Terroristen konnten Anschläge wie am 11. September durchführen, weil sie durch das radikal-islamische Talibanregime geschützt und gefördert wurden. Taliban und Al-Qaida sind in Afghanistan auch heute noch weiter aktiv, vor allem im Süden und in der Grenzregion zu Pakistan, und planen weitere Anschläge - auch gegen den Westen. Der Prozess gegen die sogenannte „Sauerland“-Gruppe hat dabei erneut die direkten Verbindungen zwischen Al-Qaida/Taliban sowie Terroristen in Deutschland und somit den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der politisch/militärischen Situation in Afghanistan und der Sicherheit in Deutschland gezeigt. Anders gesagt: Die Sicherheit und Stabilität Afghanistans wirken sich unmittelbar auf die Sicherheit in Deutschland aus.

Ein Abzug der Bundeswehr würde im Norden Afghanistans den Druck von den Terrorgruppen nehmen und dort alle der bisher hart erarbeiten Fortschritte für die afghanische Zivilbevölkerung wieder in Frage stellen. Die gemeinsamen Militäroperationen afghanischer und deutscher Verbände in den vergangenen Tagen dienen in diesem Zusammenhang v.a. der Stärkung der Autorität des Bundeswehrkontingentes, um die Taliban, die dem militärischen Druck in Südafghanistan ausgewichen sind, zurückzudrängen und vor weiteren Anschlägen auf die deutschen Feldlager abzuhalten. Darüber hinaus senden sie im Vorfeld der afghanischen Wahlen das Signal aus, dass der Aufbau der afghanischen Armee Fortschritte gemacht hat.

Ein einseitiger deutscher Abzug würde darüber hinaus sowohl den ISAF-Einsatz als auch den Zusammenhalt in der NATO gefährden. Damit würden wir unsere NATO-Partner, die mit ihrem Einsatz auch zu unserer Sicherheit beitragen, im Stich lassen und die transatlantische Sicherheitsarchitektur in Frage stellen.

Bevor wie unser Engagement in Afghanistan beenden können, sollten nach meiner Meinung unbedingt folgende Bedingungen erfüllt sein: Die afghanische Regierung muss in der Lage sein, die Sicherheit und Stabilität aus eigener Kraft zu garantieren. Es muss uns gelingen, Afghanistan so zu stabilisieren, dass die Menschen dort vom Wiederaufbau des Landes profitieren können. Nur dann wird sich die afghanische Regierung dauerhaft gegen die Taliban behaupten können. Je schneller dieses Ziel mit unserer Hilfe erreicht wird, desto eher kann der militärische Einsatz beendet werden.
Wir haben daher die Ausbildung von afghanischen Soldaten verdreifacht, den Aufbau der Polizei Afghanistans intensiviert und die internationale Wiederaufbauhilfe noch besser koordiniert. Ein Wiederaufbau des zerstörten Landes ist aber ohne den militärischen Schutz durch die ISAF-Soldaten nicht möglich.

Wir dürfen das Erreichte nicht aufs Spiel setzen. Unsere Soldaten haben zusammen mit den zahlreichen Hilfsorganisationen in den vergangenen Jahren Großes geleistet und viel erreicht. Das müssen wir nun sichern und ausbauen – sonst wären die Anstrengungen und die schmerzlichen Opfer umsonst gewesen.

Wir haben gemeinsam mit unseren Partnern eine Verantwortung für Afghanistan übernommen. Wir haben den Menschen in Afghanistan zugesagt, sie beim Wiederaufbau ihres Landes zu unterstützen. Dies verpflichtet uns jetzt, unser Engagement erst dann zu beenden, wenn die Afghanen frei und ohne Angst vor dem Terror der Taliban in Frieden leben können.

Mit freundlichen Grüßen
Ute Granold