wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren?
Sehr geehrte Frau Bahr,
wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren? Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff in das Immunsystem. Dazu bedarf es der zwanglosen und freiwilligen Einwilligung des Patienten. Eine Impfpflicht widerspricht dem Freiwilligkeit und es entstehen Zwänge. Natürlich hofft man mit einer Impfpflicht Pandemien zu verhindern, jedoch kann und darf das Individualrecht nicht ausgehelbelt werden. Ganz zu Schweigen von den Vertrauensverlusten in die Ärzte, die ja die Patienten zwangsbehandeln müssen. Von dem Problemen mit dem Nürnberger Kodex ganz zu schweigen.
Ich würde mich über eine Rückmeldung mit Ihrer Meinung dazu freuen und hoffe inständig, daß Sie sich gegen eine Impfpflicht entscheiden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jens R.
Sehr geehrter Herr Doktor R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Gerne nehme ich zu dieser wie folgt Stellung:
Grundrechte werden auch durch eine Impfpflicht nicht abgeschafft, sondern lediglich eingeschränkt. Ein geregeltes Zusammenleben in einer Gesellschaft erfordert oftmals eine Abwägung zwischen widerstreitenden Grundrechtspositionen. So ist auch das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 II S. 1 GG nach Art. Art. 2 II S. 3 GG durch ein Parlamentsgesetz einschränkbar und gilt nicht absolut. Voraussetzung ist, dass eine Impfpflicht als staatlicher Eingriff als verhältnismäßig angesehen wird. Dies sehen viele Verfassungsrechtler:innen als gegeben an. (https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/corona-impfpflicht-debatte-pandemie-verfassungsrechtler-100.html; Stand: 09.03.2022) Denn im Artikel 2 des Grundgesetzes ist nicht nur das Recht auf körperliche Unversehrtheit, sondern auch das Recht auf Leben geregelt. Wenn mit einer Impfung das eigene Leben und das Leben anderer geschützt werden kann, dann kann diese Impfung nicht nur moralisch, sondern unter Umständen auch rechtlich geboten sein. Insofern wird selbstverständlich auch auf individuelle Risiken eingegangen. Wer sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann, wird von einer Impfpflicht befreit. Niemand wird durch polizeilichen Zwang geimpft werden.
Entschieden widersprechen möchte ich der oftmals gelesenen Behauptung, dass Impfschäden verschwiegen werden. Der Nürnberger Kodex, welcher als Stellungnahme 1947 vom amerikanischen Militärtribunal erlassen worden ist, stellt klar, dass bei einem Versuch am Menschen die Zustimmung des Probanden erforderlich ist. Vorliegend handelt es sich aber gerade nicht um Experimente am Menschen, da es zur Verträglichkeit und Wirksamkeit sämtlicher in der EU zugelassener Impfstoffe gegen Covid-19 inzwischen bereits eine überwältigende Studienlage gibt und der Impfstoff selbst milliardenfach erprobt ist.
In der Hoffnung Ihre Frage beantwortet zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ulrike Bahr, MdB
Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend