Frage an Ulrike Bahr von Daniel L. bezüglich Familie
Wie stehen Sie zum Nachweis von Sprachkenntnissen beim Ehegattennachzug?
Wie stehen Sie zur (vom Bundestag selbst so bezeichneten) Inländerdiskriminierung beim Ehegattennachzug zu deutschen Staatsbürgern?
Mit Inländerdiskriminierung ist gemeint, dass Ehepartner von deutschen Staatsbürgern gegenüber Ehepartnern von Unionsbürger (Staatsbürger anderer EU-Länder die in Deutschland leben) benachteiligt werden.
Die Benachteiligung äußert sich dadurch, dass Ehepartner von Unionsbürgern keinen Sprachnachweis deutscher Sprachkenntnisse benötigen. Wohingegen Ehepartner von deutschen Staatsbürgern die Einreise bzw. Visaerteilung, ohne einen solchen Sprachnachweis, verweigert wird.
Beabsichtigen Sie diese offensichtlichen Missstände zu beseitigen?
Wenn nein, warum halten Sie diese Form der (mittelbaren) Diskriminierung (der eigenen Staatsbürger) für sachlich gerechtfertigt?
Warum hat sich Ihre Partei beim letzten Gesetzgebungsverfahren zum FreizügG/EU (Inkrafttreten der letzten Änderung: 24. November 2020) nicht dafür eingesetzt, deutsche Staatsbürger mit Unionsbürgern gleichzustellen, um die vorgenannte Inländerdiskriminierung zu beenden?
Sehr geehrter Herr Lautenbacher,
zum Nachweis von Sprachkenntnissen beim Ehegattennachzug hatten wir ja bereits mehrfach korrespondiert. Im Jahr 2007 wurde der Ehegattennachzug auf Druck der CDU/CSU reformiert. Seitdem müssen nachzugswillige Ehegatten schon bei Beantragung eines Visums, also vor der Einreise, einfache Deutschkenntnisse nachweisen. Ziel war es, Zwangsehen zu verhindern und die Integration zu fördern.
Heute zeigt sich: Es fehlen empirische Belege dafür, dass der Spracherwerb im Ausland Zwangsehen verhindern konnte. Vielmehr sind viele Fälle dokumentiert, in denen es Ehepartnern in freiwillig geschlossenen Ehen langfristig unmöglich ist, die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland zu leben. Das ist unverhältnismäßig.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich daher bereits vor vielen Jahren - in der 17. Wahlperiode - dafür ausgesprochen, das Erfordernis des Spracherwerbs vor der Einreise beim Ehegattennachzug aufzuheben und im März 2012 einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht. Einzelheiten finden sich im Gesetzentwurf auf BT-Drs. 17/8921. Unser Gesetzentwurf fand damals im Deutschen Bundestag keine Mehrheit. Leider ließ sich die CDU/CSU-Fraktion auch weiterhin nicht von der Notwendigkeit einer gesetzlichen Anpassung überzeugen. Die Union verteidigt die bisherige Regelung ohne Einschränkungen, so dass wir auch in dieser Wahlperiode keine Erleichterungen beschließen konnten. Wir werden das Thema aber weiterhin im Blick behalten und setzen uns auch weiterhin für eine Änderung beim Nachweis von Sprachkenntnissen ein. Mit anderen Mehrheiten können wir hoffentlich nach den Bundestagswahlen etwas erreichen.
Zur "Inländerdiskriminierung" gibt es eigentlich bereits entsprechende Regelungen, denn für den Nachzug zu deutschen Staatsangehörigen gelten Besonderheiten: Die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG getroffene Regelung zum Spracherfordernis ist auf den Ehegattennachzug zu Deutschen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG nur entsprechend anzuwenden. Die verfassungskonforme Auslegung gebietet es, von diesem Erfordernis vor der Einreise abzusehen, wenn Bemühungen um den Spracherwerb im Einzelfall nicht möglich, nicht zumutbar oder innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich sind. Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind insbesondere die Verfügbarkeit von Lernangeboten, deren Kosten, ihre Erreichbarkeit sowie persönliche Umstände zu berücksichtigen, die der Wahrnehmung von Lernangeboten entgegenstehen können, etwa Krankheit oder Unabkömmlichkeit. Dies berücksichtigt insbesondere den Aspekt, dass ein deutscher Staatsangehöriger nicht darauf verwiesen werden darf, seine Ehe im Ausland zu führen.
Die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion betonen zwar gerne den Wert von Ehe und Familie, sind aber in diesem Bereich dennoch nicht zu Erleichterungen bereit. Wir arbeiten weiter daran.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrike Bahr