Frage an Ulrike Bahr von Tobias S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Bahr,
ich studiere zurzeit im 4. Semester an der Uni Augsburg und habe aufgrund der Coronapandemie seit rund eineinhalb Jahren keine Lehrveranstaltung an der Uni besuchen dürfen. Gerade läuft das dritte Online-Semester in Folge und es gibt keine Aussicht auf baldige Präsenzveranstaltungen, somit werde ich nach diesem Semester dreiviertel meiner bisherigen Studienzeit online verbracht haben.
Ähnlich geht es dem Großteil der fast drei Millionen Studierenden in Deutschland, davon rund 400 000 allein in Bayern, das Studium findet nur noch digital statt, ohne persönlichen Kontakt und mit nur eingeschränktem Zugang zu wichtigen Medien in den Bibliotheken. Ohne Zweifel müssen Studierende und junge Menschen im Allgemeinem große Einschränkungen hinnehmen. Dabei fühlen sich viele, mich inbegriffen, von der Politik im Stich gelassen und im öffentlichen Diskurs vergessen. Seit annähernd eineinhalb Jahren gibt es keine nennenswerten Lockerungen hinsichtlich Präsenzlehre für den Großteil der Studierenden, viele Studierende haben noch keinen Hörsaal von ihnen gesehen und für die restlichen ist der Besuch einer Vorlesung lange her, ich selbst konnte im Januar 2020 zuletzt eine Vorlesung besuchen.
In Augsburg studieren zurzeit über 26 000 Personen, fast jeder 11. Einwohner ist Studierender. Die Uni Augsburg liegt in ihrem Wahlkreis und sie sind studierten selbst dort, deswegen möchte ich ihnen ein paar Fragen zu diesem Thema stellen. Ich möchte sie bitten dabei auch an ihr eigenes Studium zu denken und zu überlegen, ob die Erfahrung, die sie dabei gesammelt haben, durch ein Online-Studium würdevoll ersetzt werden könnten.
Präsenzveranstaltungen an Hochschulen sind derzeit bis auf wenige Ausnahmen verboten, wird es in nächster Zeit in diesem Bereich zu Lockerungen kommen? Inwiefern setzt sich ihr Fraktion auf Bundesebene für die Belangen Studierender ein? Warum dürfen Hochschulen nicht mit ähnlichen Hygienekonzepten und Tests wie etwa an Schulen öffnen?
Sehr geehrter Herr Schilcher,
vielen Dank für Ihre Fragen, die sicherlich von vielen Studierenden aus Augsburg geteilt werden. Klar ist, dass besonders die jüngere Generation unter den einschränkenden Maßnahmen leidet. Deswegen stehen neben den Schülerinnen und Schülern, den Auszubildenden natürlich auch die Studierenden im Fokus staatlicher Unterstützungsmaßnahmen. Gleich zu Beginn des ersten Lockdowns im vergangenen Frühjahr hat meine Fraktion - übrigens als erste im Bundestag - Vorschläge an das Bildungsministerium übermittelt, um soziale Härten von Studierenden von Anfang an abzufedern. Damals wie heute bin ich der Meinung, dass das BAföG - als zentrales Studienfinanzierungsinstrument - weiter geöffnet werden muss. Gerade als viele Mini-Jobs durch die Pandemie weggebrochen sind, hätte das BAföG viele in Not geratene Studierende auffangen können - die Infrastruktur war bereits vorhanden. Das wollte unser Koalitionspartner sowie die Bundesbildungsministerin nicht. Stattdessen wurde die Vergabe von Studienkrediten vereinfacht. In meinen Augen war das allerdings keine echte Hilfe, auch wenn der Zinssatz vorübergehend auf 0 Prozent gesenkt wurde. Immerhin konnte die SPD noch eine echte zuschussbasierte Überbrückungshilfe für Studierende auf den Weg bringen. Anfängliche Schwierigkeiten bei der Auszahlung sind nun glücklicherweise behoben, sodass ein Großteil der Antragssummen bereits ausgezahlt wurden.
Dass die Lage jedoch weiterhin angespannt ist, schildern uns auch die Juso-Hochschulgruppen. Sie bekommen in jeder Sitzungswoche des Deutschen Bundestages in der AG Bildung und Forschung der SPD-Fraktion die Möglichkeit, unmittelbar aus dem Pandemiealltag der Studierenden zu berichten. Damit sorgen wir für einen dauerhaften Dialog. Zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden, aber auch um ein besseres Bild über gesundheitliche Beeinträchtigungen während der Pandemie zu erhalten, wird momentan eine breite Befragung durchgeführt, an der rund 1/3 aller Studierenden in Deutschland teilnehmen soll. Daraus werden wir dann weitere politische Handlungen ableiten.
Mit dem Fortschreiten der Impfkampagne brauchen wir jetzt vor allem auch Perspektiven - und die sind mit dem aktuell sinkenden Inzidenzahlen durchaus gegeben. Stand heute soll die Bundesnotbremse wie geplant zum 30. Juni auslaufen. Damit könnten auch Präsenzveranstaltungen an den Universitäten wieder stattfinden. Das muss allerdings der Freistaat Bayern entscheiden, denn der Bund hat mit der Notbremse lediglich einheitliche Rahmenbedingungen zu den Beschränkungen festgelegt. Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass sich spätestens zum Wintersemester der Campus der Uni Augsburg wieder füllt, aber auch schon früher Veranstaltungen mit entsprechenden Hygienekonzepten besucht werden können.
Mit freundlichen Grüßen und besten Wüschen für Ihr weiteres Studium
Ulrike Bahr