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Ulrike Bahr
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Frage von Joerg L. •

Frage an Ulrike Bahr von Joerg L. bezüglich Senioren

Sehr geehrte Frau Bahr,

warum erhält ein ArbeitnehmerIn der jetzt 45 Jahre alt ist, mit Eintritt ins Rentenalter, ganze 30 Prozent weniger Rente gegenüber Beamten ? Warum wird das steigende BIP, das steigende Volksvermögen und die Wertschöpfung, auch der ArbeitnehmerInnen in Deutschland bisher bei dem Thema Rente nicht berücksichtigt ?

Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Lindeholz

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Sehr geehrter Herr Lindeholz,

zunächst halte ich nichts davon, sozialversicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Beamtinnen und Beamte auszuspielen. Die Altersversorgung folgt einer ganz unterschiedlichen Logik. Beamte und Richter werden vom Staat ernannt und „alimentiert“, d.h. so versorgt, dass eine unabhängige Amtsführung möglich ist. Wird ein Beamter pensioniert, behält er seinen Status, wird aber von seinen Dienstpflichten entbunden. Die Ruhegehaltsbezüge hängen davon ab, wie lange jemand als Beamter tätig war. Der Höchstsatz liegt bei 71,75% der letzten aktiven Bezüge. Dazu muss die Person aber mindestens 40 Jahre in Vollzeit als Beamter gearbeitet haben.

Es macht den Beamtenberuf attraktiver, dass er eine gute Altersversorgung bietet. Etwa 80% aller Beamten haben eine akademische Ausbildung. Bei ihrer Einstellung konkurriert der Staat mit Wirtschaftsunternehmen, die bessere Einstiegsgehälter zahlen können. Die sichere Beschäftigung und die guten Altersbezüge sind Pluspunkte in diesem Wettbewerb. Die demographische Entwicklung geht aber auch an den Pensionären nicht vorbei: In den letzten Jahren ist die Höhe der Pensionen von vormals bis zu 75% zurückgefahren worden. Diese Kürzung hat auch die Pensionäre betroffen, die bereits ihr Altersruhegeld beziehen. Bei schlechter Kassenlage ist es durchaus denkbar, dass die Altersbezüge für Beamte weiter gekürzt werden – mit sofortiger Wirkung für alle Pensionäre.

Rentenversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung dagegen erwerben sich durch die Einzahlung von Beiträgen einen Rentenanspruch. Dabei zahlen die Beitragszahler von heute die Renten von heute. Bei diesem Umlageverfahren ist das verfügbare Geld direkt abhängig von der Entwicklung der Lohnsumme, die ihrerseits von der Höhe der Erwerbstätigkeit abhängt. Den Rückgang der erwerbstätigen Einzahler versucht die Politik mit einer Vielzahl von Maßnahmen aufzufangen: durch längere Lebensarbeitszeiten (Standardrente ab 67 – diese Anhebung gilt auch für Beamte!), den Mindestlohn, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bessere Bildungsmöglichkeiten und auch eine Anhebung der Beitragssätze und oder eine Absenkung des Rentenniveaus. In wie weit Voraussagen zum Rentenniveau und zum Beitragssatz eintreffen, hängt also auch davon ab, in wie weit unsere Politik für gute Arbeit greift.

Die Absenkung des Rentenniveaus auf erwartete 43% im Jahr 2030 sehen meine Fraktion und ich selbst mit Sorge. Renten nur knapp oberhalb des Existenzminimums sind kein attraktiver Anreiz, lebenslang Beitrag zu zahlen. Wer in einer Pflichtversicherung wie der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist, erwartet auch eine ausreichende Versorgung.

Zugleich beobachten wir, dass die Quote der Kapitaleinkommen gegenüber der Lohnquote ständig steigt. Kamen 1993 27,5% aller Einkommen aus Kapital, so waren es 2013 schon 33% (Berechnung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherer). Darum gab es in den letzten Jahren viel Werbung und staatliche Unterstützung für eine kapitalgedeckte private Zusatzversicherung: Arbeitnehmer sollten mit Riester-Verträgen und anderen Finanzprodukten zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung privat eine weitere „Säule“ für ihre Altersversorgung aufbauen. Viele Unternehmen unterstützen mit Betriebsrenten-Versicherungen schon lange eine solche „zweite Säule“. Mit einer kapitalgedeckten Altersvorsorge können Rentner besser an steigenden Kapitaleinkommen beteiligt werden.

Gegen eine flächendeckende kapitalgedeckte private Altersvorsorge gibt es aber auch eine Reihe von Argumenten, die ich teile:
• Arbeitnehmer mit geringem Einkommen können die Beiträge (empfohlen sind 6% des
Nettoeinkommens) nicht regelmäßig auf die Seite legen.
• Erhält ein Geringverdiener Grundsicherung, wird die private Vorsorge voll
angerechnet.
• Der Markt für private Rentenversicherungen ist schwer zu durchschauen und
kundenunfreundlich.
• Die Versicherer nehmen hohe Verwaltungs- und Abschlussgebühren.
• Die niedrigen Zinsen der letzten Jahre machen die Renditen unattraktiv.
• Bei riskanteren Anlageformen und in Finanzkrisen können die Rentenansprüche
vollständig verloren gehen. Der Zusammenbruch der Lehmann-Bank in den USA hat
dort Tausende von Arbeitnehmern um ihre Rentenansprüche gebracht.

Um jenseits einer solchen Zusatzversicherung den steigenden Gesamtwohlstand in den Renten besser zu berücksichtigen, wie Sie das anregen, müsste der Steueranteil in der Rentenversicherung erhöht werden. Schon jetzt erhält die Rentenversicherung erhebliche Zahlungen aus dem Bundeshaushalt, um einen Teil der versicherungsfremden Lasten (z.B. Kindererziehungszeiten, Mindestrenten, Hinterbliebenenrenten) zu finanzieren. Die SPD hat vorgeschlagen, den Steuersatz für Spitzenverdiener zu erhöhen, um dafür mehr Spielraum zu bekommen, hat sich damit aber in der gegenwärtigen Koalition nicht durchsetzen können.

Ganz unabhängig von der Situation der Beamten gibt es also sehr viele Ansatzpunkte, unsere gesetzliche Rentenversicherung zukunftsfest zu machen und Altersarmut zu bekämpfen.

Mit freundlichen Grüßen,
Ulrike Bahr

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