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Ulrich Lange
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Frage von Peter I. •

Frage an Ulrich Lange von Peter I. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Lange,

zuächst möchte ich Ihnen einmal das Bild wie Deutschland mit der EU verkettet ist so zeichen, wie ich es sehe.

1. Bei der Griechenland-Rettung sind (schon fast zu vernachlässigende) 15 Mrd.€, mehr oder weniger direkt, ausbezahlt worden. Der Rest ist ja soweit ich weiß über das Konstrukt EFSF, das bald in den ESM umgewandelt werden soll, geflossen.

2. Deutschland hat mittlerweile einen Target-2 Saldo in Höhe von 730 Mrd € an Forderungen gegen andere EU-Länder (mehr als das Stammkapital des ESM)! Wissen Sie was das bei einem Auseinanderbrechen der EU oder allein einem Austritt von Griechenland wahrscheinlich schon bedueten würde?

3. Deutschland hat ca. 27% Anteile am Stammkapital des ESM, von dem jetzt zunächt nach und nach 21 Mrd eingezahlt werden sollen. Das Stammkapital beträgt 700 Mrd. € und kann vom Gouvaneursrat abgerufen werden.
Jetzt möchte ich gerne von Ihnen wissen,

1. ob Sie sich über die Risiken, die Deutschland durch den Euro schon jetzt trägt im klaren sind (das sind 745 Mrd; (15Mrd. an Griechenland + 730Mrd Target-Salden) + die Anteilig vom EFSF ausbezahlten Gelder)?

2. ob Sie sich über die tatsächliche Haftungssumme von Deutschland für den ESM zum Zeitpunkt der Abstimmung im klaren waren? - Sind sie sich jetzt darüber im klaren? Denn es sind keineswegs die 27% von 700 Mrd.€! Sie als Jurist müssten diese Gesetzesvorlage ja schnell verstehen - und ich gehe jetzt einmal davon aus, dass Sie bei solch einem wichtigen Gesetz die Eckpunkte kennen.

3. Warum sie trotz einer solchen Risikoerhöhung für den ESM gestimmt haben?

4. Außerdem gibt Deutschland doch dadurch einen Teil seiner Haushaltssouveränität ab, wenn der Gouvaneursrat ein direktes Druchgriffsrecht auf den deutschen Haushalt hat oder? Zusätzlich hat der Bundestag keinerlei wiederspruchsmöglichkeit - außer der Finanziminster wiederspricht im Gouvaneursrat, was aber nur 27% der Stimmen ausmachen würde und somit keine Beschluss verhindern würde.

Vllt können Sie miene Bedenken mildern.

Mfg

Peter Ivnez

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Sehr geehrter Herr Ivnez,

für Ihre Anfrage zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) danke ich Ihnen.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Abgeordneten der Koalition Ihre Bedenken um die Stabilität des Euro sehr ernst nehmen. Die von Ihnen kritisierten Rettungsschirme stellen jedoch nur einen Bestandteil eines umfassenden Maßnahmenpakets dar. Um die Eurozone dauerhaft zu stabilisieren, werden zusätzlich Strukturreformen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in den betroffenen Eurostaaten und haushaltspolitische Konsolidierung durchgeführt.

Die Stabilität unserer gemeinsamen Währung ist gerade für Deutschland als größte und erfolgreichste europäische Volkswirtschaft ein hohes Gut. Die Euro-Stabilisierung ist daher im ureigenen Interesse Deutschlands. Trotzdem darf die mit den Euro-Rettungsschirmen verbundene Solidarität mit den anderen Euro-Ländern nicht zu weit gehen. Daher darf es auch Hilfen nur zur Selbsthilfe geben und die betroffenen Staaten müssen nachhaltig und erfolgreich dazu gebracht werden, ihre Haushalts- und Strukturprobleme zügig anzugehen.

Aus diesem Grund ist es notwendig, einen Euro-Rettungsschirm aufzuspannen, der bedrohten Eurostaaten vorübergehend und unter strengen Auflagen finanziell unter die Arme greift. Denn ein möglicher Flächenbrand hätte unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte. Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber stets nur die kurzfristige und ziel-gerichtete Krisenhilfe sein – nicht die dauerhafte Alimentierung von Staaten.

Ein fundamentaler Baustein im neuen Regelungsgefüge Europas ist neben dem ESM auch der von den Staats- und Regierungschefs fast aller Mitgliedstaaten beschlossene Fiskalvertrag. Mit der Einführung von verbindlichen Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild in allen anderen Euro-Staaten, stellt der Fiskalvertrag eine entscheidende Weichenstellung für die Stabilisierung unserer Gemeinschaftswährung dar.

Durch den Fiskalvertrag findet jedoch keine Übertragung von nationalen Haushaltszuständigkeiten auf europäische Einrichtungen statt. Vielmehr hat der Deutsche Bundestag bei allen Maßnahmen im Rahmen des Euro-Rettungsschirms, die seine Haushaltsverantwortung berühren, das letzte Wort. So darf die Bundesregierung allen wesentlichen Maßnahmen im Rahmen der EFSF nur dann zustimmen, wenn das Plenum des Deutschen Bundestages hierzu vorab ausdrücklich seine Zustimmung erteilt hat. Dies gilt beispielsweise für die Aktivierung des Rettungsschirms für einen Eurostaat sowie nachträglichen Änderungen an einem Sanierungsprogramm oder am EFSF-Vertrag selbst. Damit bleibt das Budgetrecht des Deutschen Bundestages in vollem Umfang gewahrt – so dass eine „Entmündigung“ des Deutschen Bundestages nicht erkennbar ist.

Mit freundlichen Grüßen

MdB Ulrich Lange

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