Frage an Ulrich Lange von Lothar G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lange,
ich beziehe mich auf Ihre Antwort an H. L. vom 29.02.2012. Sie sagen dort u.a.:
"Alle Bürger der ehemaligen DDR sind mit der deutschen Einheit Bundesbürger geworden. Daher ist es systematisch auch richtig, dass sie alle nach dem Rentenüberleitungsgesetz behandelt werden."
Das ist Ihre juristische Argumentation, um den Rentenraub an den DDR-Flüchtlingen zu begründen. Die Flüchtlinge müssen also am 3.10.1990 Staatsangehörige der Bundesrepublik geworden sein, damit „sie systematisch“ behandelt werden konnten.
Können Sie das einem Menschen erklären, der 1979 durch die Ostsee nach Lübeck geschwommen ist und sich am nächsten Tag seinen deutschen Personalausweis geholt hat, seitdem also deutscher Staatsbürger ist? Wie bekommt ein Bundesbürger dann zehn Jahre später erneut die deutsche Staatsangehörigkeit? Gibt es dann die doppelte deutsche Staatsbürgerschaft, wurde die erste kurzerhand entzogen, um im gleichen Augenblick eine neue zu vergeben? Aber auch hier ist das Grundgesetz zu beachten, Artikel 16 (also Grundrecht = Menschenrecht!) bestimmt, dass die deutsche Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden darf. Und für den allerschlimmsten Fall, dass das Grundgesetz verletzt wurde und die Staatsbürgerschaft entzogen wurde, warum erfährt der Flüchtling nichts davon, weder von den Manipulationen an seiner Staatsbürgerschaft noch per Bescheid von den nach Ihrer Meinung darauf zurückzuführenden verheerenden Manipulationen an seinen Rentenanwartschaften? Kennen Sie die Regelungen des Staatsvertrags vom 18.5.1990 zur Integration der Übersiedler?
Wissen Sie, dass es zu diesem Thema seit 6 Jahren eine Petition beim Bundestag gibt, bei der die Anfragen vieler hundert Petenten zusammengefasst sind und die offensichtlich nicht beantwortet werden kann?
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gebauer
Sehr geehrter Herr Gebauer,
für Ihr Schreiben bezüglich des Rentenüberleitungsgesetzes danke ich Ihnen.
Ich möchte an mein Antwortschreiben an Herrn Linde anknüpfen und noch einmal die wesentlichsten Fakten hervorheben. Übersiedler und Flüchtlinge aus der DDR wurden in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Öffnung der Mauer rentenversicherungsrechtlich nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewertet. Mit dem Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) nach der deutschen Einheit wurden diese Rentenkonten neu bewertet.
Es ist richtig, dass dies teilweise zu Rentenminderungen geführt hat, aber auch nicht immer. Wie Sie sicherlich wissen, wird eine Rentenauskunft immer unter dem Vorbehalt der dann gültigen Rechtslage gegeben. Im Laufe der Jahre haben sich auch in anderen Bereichen die für die Rente anzurechnenden Jahre geändert.
Mit der deutschen Einheit ist eine Unterscheidung danach, ob Bürger der ehemaligen DDR vor oder nach dem Mauerfall Bundesbürger geworden sind, hinfällig geworden. Daher ist es systematisch auch richtig, dass sie alle nach dem Rentenüberleitungsgesetz behandelt werden. Da für die Berechnung der Renten einstiger Übersiedler und Flüchtlinge der allgemeine Rentenwert (West) angesetzt wird, sind sie finanziell besser gestellt als die Rentner im Beitrittsgebiet. Das ist schon eine Besserstellung gegenüber denen, die in der DDR geblieben sind. Sie rechtfertigt sich durch den Wechsel in den Westen vor der Wende. Damit erreichen die DDR-Aussiedler eine Rente auf West-Niveau. Eine darüber hinausgehende Besserstellung lässt sich schwerlich begründen.
Zu Vorgängen des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages äußere ich mich nicht, da ich nicht Ordentliches Mitglied dieses Ausschuss bin.
Mit freundlichen Grüßen
MdB Ulrich Lange