Frage an Thomas Jarzombek von Christopher P. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Jarzombek,
am 19.120.2019 hat der Bundestag eine Änderung im Einkommensteuergesetz beschlossen, die den unterjährigen Verlustabzug sowie den Verlustvortrag bestimmter Kapitalanlagen stark einschränkt.
Siehe hierzu z.B.
1) https://boerse.ard.de/anlagestrategie/steuern/verlustverrechnung-fuer-termingeschaefte-wird-erschwert100.html
oder
2) https://www.finanzen100.de/finanznachrichten/boerse/millionen-sparer-betroffen-staat-kassiert-jetzt-sogar-bei-verlusten-steuern_H58582566_11568471/
Mit dem neuen Gesetz werden u.a. wesentlich private Anleger getroffen, die ihr langfristig orientiertes Portfolio in Zeiten hoher Volaität zeitweise gegen Kursverluste (vgl. Corona Crash) mit Optionen absichern, die im 'günstigeren' Fall (kein Crash) wertlos verfallen. Das Gesetz beschränkt damit in eklatanter Weise meine Handlungsfähigkeit meine private Altersvorsorge weiter wie gewohnt durchzuführen.
Desweiteren werden a.m.S. valide Trading Strategien mit Optionen, z.B. Credit Spreads, Strangles, etc. derart beschränkt, dass Sie für deutsche Steuerzahler nicht mehr durchführbar sind.
Das EStG führt im Extremfall zu einer absurden Situation der Besteuerung negativen Einkommens aus Kapitalanlagen.
Siehe hierzu auch die Meinung der Experten: https://www.private-banking-magazin.de/ab-2021-und-bis-10000-euro-verluste-aus-termingeschaeften-lassen-sich-kaum-noch-verrechnen/
Fragen hierzu
1) Haben Sie persönlich für oder gegen das Gesetz gestimmt ?
2) Wie ist das neue EStG mit dem verfassungsmäßigen objektiven Nettoprinzip (Steuerrecht) und dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar? Mir persönlich ist unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit schleierhaft wie das mit einem einfachen GuV Prinzip zusammen passt welches überall in der Wirtschaft gilt und bar jeder Vernunft.
3) Warum treffen die Änderungen ausschließlich privarte Anleger und Personengesellschaften (EStG) während Kapitalgesellschaften und Banken (Körperschaftssteuer) davon nicht betroffen sind können weiter (wie das sein sollte!) vor Steuern Gewinne gegen Verluste gegenrechnen.
4) Warum werden im Gesetz bestimmte Anlageformen schlechter gestellt als andere ? Die unterjährige Verlustrechnung bleibt bspw. für Kursgewinne aus Aktien ja erhalten.
Obschon ich persönlich nur von der Verlustverrechnung im Absicherungsfall betroffen wäre (und dies für eine absurde Steuerpolitik halte), halte ich die Beschränkung bestimmter Strategien am Kapitalmarkt, die ausschließlich deutschen privaten Anlegern (vs. Steuerzahler anderer Länder vs. Kapitalgesellschaften) durch die EStG Lage 'verboten' werden doch für eine recht fragwürdige Praxis der Gesetzgebung. Womit rechtfertigen Sie das?
Danke für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
C. P.
Sehr geehrter Herr Pohl,
vielen Dank für Ihre Nachricht über abgeordnetenwatch.de.
Die Berücksichtigung von Totalverlusten aus bestimmten privaten Kapitalanlagen wurde im Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2875) neu geregelt.
Die neue Regelung des § 20 Absatz 6 Satz 5 EStG sieht vor, dass Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltegeschäften ausgeglichen werden können. Dabei ist die Verlustverrechnung auf jährlich 10.000 Euro beschränkt. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalteprämien verrechnet werden. Die Verluste können nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden. Die Regelung findet für Verluste aus Termingeschäften, die nach dem 31. Dezember 2020 eintreten, Anwendung.
Der besagte § 20 Abs. 6 EStG sollte bereits im Jahressteuergesetz (JStG 2019) ergänzt werden, wurde aber dort nach wochenlangen zähen Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner SPD herausgenommen. Die SPD wollte im Rahmen des JStG 2019 sogar eine komplette Nichtberücksichtigung dieser Verluste: Bei den Termingeschäften sollte durch eine komplette gesetzliche Nichtberücksichtigung eines Optionsverfalls die bis 2016 geltende Finanzverwaltungspraxis gesetzlich manifestiert werden und die BFH-Rechtsprechung vom 12. Januar 2016 (BStBl. I 2017 II, S. 264) überschrieben werden. Danach wären Verluste dann in Gänze nicht anzuerkennen gewesen, wenn der Steuerpflichtige eine Option bei Fälligkeit verfallen lassen würde. Das konnten wir verhindern. Die jetzige Lösung ist ein Kompromiss: die Verluste werden anerkannt, aber nur bis zu einer Höhe von 10.000 Euro. Damit wollten wir zumindest die Kleinanleger davor schützen, einen Totalverlust durch beispielsweise einen Forderungsausfall komplett nicht geltend machen zu können.
Die Unionsfraktion spricht sich grundsätzlich gegen die Nichtberücksichtigung von Verlusten im Rahmen des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EStG aus und hat in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner auch entsprechend argumentiert: Wie wir auch schon nach dem Beschluss im Finanzausschuss öffentlich formuliert haben, halten wir eine vollständige Gleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten - unabhängig davon, ob Totalverlust oder einfacher Verlust - weiterhin für sachgerecht. Wir mussten aber mit dem Koalitionspartner einen Kompromiss finden, dem wochenlange Verhandlungen vorausgegangen waren. Ansonsten hätte dieser möglicherweise alle weiteren, wichtigen Steuergesetze blockiert. Unser Koalitionspartner wollte Totalverluste steuerlich überhaupt nicht anerkennen und bestand zunächst rigoros auf einem Nichtanwendungsgesetz zur neuen BFH-Rechtsprechung.
Die Regelung ist dank der Hartnäckigkeit der Unionsfraktion aber zumindest besser als die bis 2016 bestehende Verwaltungsauffassung und auch besser als das Vorhaben des Bundesfinanzministers, die steuerliche Anerkennung von Totalverlusten vollständig auszuhebeln.
Wir werden die von Ihnen angeführten Argumente und Beispiele jedoch gerne aufnehmen und nochmal auf unseren Koalitionspartner zugehen. Wie zuvor bereits beschrieben, gilt die Beschränkung bei Termingeschäften und Optionsgeschäften erst nach dem 31.12.2020. Damit haben wir noch etwas Zeit für neue Verhandlungen. Wir hoffen, dass wir auch mit Ihren Argumenten den Koalitionspartner nochmal umstimmen können.
Mit den besten Grüßen
Thomas Jarzombek