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Thomas Jarzombek
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Frage von Norman E. •

Frage an Thomas Jarzombek von Norman E. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Jarzombek,

derzeit ist im Gespräch eine Bundesfernstraßengesellschaft in Form von ÖPP bzw. PPP zu planen. Dies würde, selbst bei einer Nichteinführung einer Maut, zu hohen Belastungen des Steuerzahlers kommen. Wieso kehrt Deutschland nicht wie anderen Ländern Endgültig ÖPP den Rücken.

In einer Zeit wo der Staat Geld von der EZB zu einem Leitzins von 0,05% kriegt ist es unverständlich Finanzierung über Private Gesellschaften zu fördern, da diese Gelder von Banken leihen müssten und noch ihr eigenen Unkosten drauf mit einrechnen müssten plus die zu erwartende Gewinne. Damit würde eine Förderung durch ÖPP/PPP mehr als 60 fache Kosten, als wenn der Staat es gleich direkt selbst finanziert.

Sämtliche Projekte die bisher innerhalb der EU via ÖPP finanziert wurden, waren ein finanzielles Disaster. Ein lustiges wie trauriges Bsp.: GB hatte vor Jahren ÖPP zur Finanzierung von Gefängnissen genutzt. Um weiterhin vernünftige Renditen an die privaten Gesellschafter zu zahlen, wurde zu Erst am Essen gespart, dann am Personal, so dass sich die Insassen dachten, das überlastete Personal zu entlasten, indem sie einfach das Gefängnis auf eigene Faust verließen. Werden Sie persönlich als zuständiger Minister bei Mehrbelastung die Private und Berufliche Verantwortung in vollem Masse tragen?

Mit freundlichem Gruß
Ein besorgter Bürger und Wähler

N. Engels

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Sehr geehrter Herr Engels,

vielen Dank für Ihre Frage und die gleichzeitige Kritik an öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) als Beschaffungsalternative für die Straßenbaufinanzierung.

In Deutschland sind seit 2007 sieben ÖPP-Projekte realisiert worden. Sechs weitere Projekte befinden sich in der Ausschreibung bzw. sind in der konkreten Planung. Bei jedem potentiellen ÖPP-Projekt muss und wird vorher genau bewertet, ob ÖPP überhaupt in Betracht kommt oder ob eine konventionelle Beschaffung vorteilhafter ist. ÖPP muss mindestens genauso wirtschaftlich sein wie die konventionelle Beschaffungsvariante, sonst darf sie nicht zum Tragen kommen. ÖPP ist auch keine Beschaffungsalternative für kleine standardisierte Projekte. Stattdessen ist ÖPP eine andere Art, Leistungen einzukaufen. Der Effizienzaspekt ist hier entscheidend.

Das Kernelement von ÖPP im Bundesfernstraßenbereich ist die Fokussierung auf den Lebenszyklus des auszubauenden Streckenabschnitts, kombiniert mit der Leistungserbringung aus einer Hand. Die Wertschöpfungskette aus Planen, Bauen, Erhalten und Betreiben, verbunden mit einer darauf optimal zugeschnittenen Finanzierung, rückt in den Vordergrund, um eine wirtschaftliche Projekterledigung zu erzielen. Da der ÖPP-Auftragnehmer für alle genannten, auf dem jeweiligen Streckenabschnitt anfallenden Leistungen zuständig ist, kann er bereits bei der Planung und auch bei der Durchführung des Baus die betrieblichen Aspekte und die Belange der Erhaltung berücksichtigen und sein technisches Knowhow frühzeitig einbringen. Da der Auftragnehmer bei ÖPP für einen längeren Zeitraum für das Bauwerk verantwortlich ist, hat er ein großes Eigeninteresse an guter Bauqualität. Er ist nicht, wie sonst üblich, nach Ablauf der üblichen fünfjährigen Gewährleistungsfrist aus der Haftung entlassen.

Sicherlich wurden in der Ausgestaltung der ersten ÖPP-Projekte auch Fehler gemacht. So beruhte z.B. die Vergütung der Auftragnehmer auf Verkehrsprognosen, die sich im Nachhinein als zu hoch herausgestellt haben. Dieser Fehler wurde jedoch behoben. Alle neuen ÖPP-Projekte werden jetzt als so genanntes „Verfügbarkeitsmodell“ realisiert. Dabei muss der Auftragnehmer über einen Zeitraum von 30 Jahren die Verfügbarkeit der Straße sicherstellen. Wenn also beispielsweise ein Fahrstreifen wegen Bauarbeiten gesperrt ist, muss der Auftragnehmer dem öffentlichen Auftraggeber eine Art Strafzahlung leisten, gestaffelt nach dem Umfang und dem Zeitpunkt der Verkehrsbeeinträchtigung. Folglich ist ÖPP auf eine starke Nutzerorientierung ausgerichtet. Es wird auf ein zügiges und wirtschaftliches Bauen mit möglichst wenig Verkehrsbeeinträchtigung in der Betriebs- und Erhaltungsphase wertgelegt. Ziel ist es, die Verfügbarkeit der Strecke für die Nutzer möglichst umfassend zu gewähren.

ÖPP schafft hohe Qualität im Bau und Betrieb, genaue Vorstellungen bezüglich der Kosten eines Projektes, eine termingerechte Realisierung von Maßnahmen, auch Großprojekte bleiben im Kostenrahmen und ÖPP stellt die Erhaltung und den Betrieb der Infrastruktur auf in der Regel 30 Jahre sicher. Im Vergleich dazu mussten wir in der Vergangenheit bei der konventionellen Beschaffung häufig erhebliche Kosten-, Zeitüberschreitungen und Qualitätsmängel beklagen. Die öffentliche Verwaltung, d.h. die Landesstraßenbauverwaltungen, ist in Deutschland mit einigen Ausnahmen, beispielsweise des Freistaates Bayern, kaum noch in der Lage, notwendige Großprojekte so umzusetzen, wie es ÖPP vermag. Es fehlen ihr die personellen und fachlichen Kapazitäten. Feste Verträge, also die Möglichkeiten von Sanktionierung und Kündigung sind Anreize, die es in der öffentlichen Verwaltung so nicht gibt. Die etwas höheren Finanzierungskosten bei ÖPP sind eine Art Versicherungsprämie für Kosten- und Terminüberschreitungen. Die These „ÖPP muss aufgrund höherer privater Finanzierungskosten per se teurer sein“ ist deshalb methodisch und faktisch falsch.

Die Ausführungsqualität der bisherigen Projekte ist nach Auffassung des Bundes und der Länder durchgehend auf hohem bis sehr hohem Niveau, auch die Termintreue ist vorbildhaft. Alle bisher fertig gestellten ÖPP-Projekte wurden noch vor dem vereinbarten, bereits ambitionierten Fertigstellungstermin für den Verkehr freigegeben. Die Strecken stehen damit dem Personen- und Güterverkehr früher und leistungsfähiger zur Verfügung. Stau- und Unfallgefahr werden gemindert. Dies hat auch einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen.

Ich hoffe, dass ich Sie von den Vorteilen von öffentlich-privaten Partnerschaften im Bundesfernstraßenbau überzeugen konnte und verbleibe

Mit den besten Grüßen
Thomas Jarzombek

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