Frage an Thomas Jarzombek von Michael B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Jarzombeck,
eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), hat der Bundestag vergangene Woche beschlossen.
Danach werden die Kunden künftig nicht mehr wie bislang automatisch mit der Hälfte an stillen Reserven auf festverzinsliche Wertpapiere beteiligt, sofern sie ihren Vertrag kündigen oder die Police abläuft. Stattdessen wird in einem komplizierten Mechanismus ein Faktor zur Stabilisierung der Lebensversicherer abgezogen und erst danach die Beteiligung der Kunden ermittelt. Sie dürfte deutlich unter den bisherigen Werten liegen.
Einerseits werden Renten durch Verlängerung des Renteneintrittsalters ohne Rücksicht auf die Lebensarbeitszeit gekürzt, die Bevölkerung dazu aufgerufen, private Vorsorge in verstärktem Maße zu treffen, um dann seitens der Politik in bestehende Lebensversicherungsverträge einzugreifen, die teilweise noch zur Tilgung von Hypothekendarlehen dienen sollen und ebenfalls eine Kürzung erfahren, und das ohne Mitteilungspflicht seitens der Versicherer an die Versicherten.
Ich bitte um Ihre Stellungnahme zu diesem Thema und Angabe zu Ihrem Abstimmungsverhalten.
Mit freundlichem Gruß
Michael Becker
Sehr geehrter Herr Becker,
vielen Dank für Ihre Nachricht, mit der Sie die gesetzlichen Änderungen bei Bewertungsreserven von Lebensversicherungen kritisieren.
Diese Änderung ist Teil des sogenannten SEPA-Begleitgesetzes, das der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 08.11.2012 mit den Stimmen der Koalition beschlossen hat. Auch ich habe diesem Gesetzentwurf zugestimmt. Zuvor hatte am 17.10.2012 im Finanzausschuss ein öffentliches Fachgespräch mit Sachverständigen stattgefunden, bei dem unter anderem die Änderung der Bewertungsreserven thematisiert worden ist. Den Inhalt dieses Gespräches können Sie im Wortprotokoll nachlesen, das im Internet veröffentlicht worden ist ( http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2012/106/106-17_10_2012-__A_SEPA_10_VAG-Novelle__E-Mail_.pdf ).
Zu der Änderung im Einzelnen: Seit 2007 haben die Versicherten einen gesetzlichen Anspruch auf Beteiligung an den Bewertungsreserven. Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendigung des Vertrags wird der für diesen Zeitpunkt ermittelte Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden.
Es ist aber auch gesetzlich geregelt, dass aufsichtsrechtliche Regelungen zur Kapitalausstattung unberührt bleiben. Damit ist Folgendes gemeint: Alle Versicherer sind gesetzlich verpflichtet, eine ausreichende Kapitalausstattung zu besitzen. Die Höhe der Kapitalausstattung hängt von der Art und dem Umfang des Geschäfts ab. Die Bewertungsreserven eines Unternehmens werden bei der Berechnung der Kapitalausstattung einbezogen. Daher könnte es vorkommen, dass durch die Auszahlung der Bewertungsreserven an die Versicherten die gesetzlich vorgeschriebene Mindest-Kapitalausstattung des Unternehmens unterschritten wird. Dieser Fall darf nicht eintreten.
Es hat sich gezeigt, dass die bisherige Regelung ihren Zweck nicht optimal erfüllte, weil es kein allgemein anerkanntes Verfahren gab, wie der Betrag, der nicht unterschritten werden darf, berechnet wird. Dieses Verfahren wird jetzt vom Gesetzgeber für alle Versicherer gleich vorgeschrieben. Vereinfacht gesagt werden die Unternehmen verpflichtet, regelmäßig zu vergleichen, welchen Betrag sie zur Erfüllung eines Vertrags zurückgelegt haben (die sogenannte Deckungsrückstellung) und welchen Betrag sie tatsächlich brauchen. Wenn der Betrag, den sie tatsächlich brauchen, höher ist als die Deckungsrückstellung, muss der Unterschied (der sogenannte Sicherungsbedarf) aus den vorhandenen Bewertungsreserven gedeckt werden. Nur das, was über diesen Unterschied hinaus noch an Bewertungsreserven vorhanden ist, kann ausgezahlt werden.
Diese Neuregelung gilt nur für die künftige Überschussbeteiligung der Versicherten. Bereits entstandene Ansprüche auf Beteiligung an den Bewertungsreserven werden dadurch also nicht betroffen. Allerdings sehen die Versicherungsunternehmen unterschiedliche Verfahren zur Beteiligung ihrer Versicherten an den Bewertungsreserven vor, so dass sich nicht allgemein sagen lässt, wie sich die Änderung auf die Höhe der in der Zukunft im Einzelfall ausgezahlten Versicherungsleistung auswirken wird. Ob Sie selbst davon betroffen sind, müsste Ihnen von Ihrem Versicherungsunternehmen mitgeteilt worden sein. Im Zweifelsfall stehe ich Ihnen gerne unterstützend zur Verfügung.
Mit besten Grüßen
Thomas Jarzombek