Frage an Thomas Jarzombek von Susanne N. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Guten Tag, Herr Jarzombek,
gerade habe ich auf PHOENIX Ihr Werben um mehr Studenten in den MINT-Fächern gesehen.
Ich bin ganz Ihrer Meinung, wir brauchen die klugen Köpfe in Deutschland, aber keine Technokraten, sondern Tüftler, Erfinder,
Chaoten und Mutmacher – wie Gates, Jobs, Einstein ...
Wie kann es dann sein, dass an den Unis Bedingungen herrschen, dass selbst talentierte und willige Studenten frustriert sind angesichts der ungeheuren Arbeitsbelastung durch Vorlesungen, Seminare und Klausuren dicht an dicht.
Und dann müssen die jungen Leute auch noch für ihren Lebensunterhalt arbeiten und sollen am besten auch noch auf eigene Kosten ins Ausland gehen zum Studieren.
Wo bleibt die Chance auf eigenständige Entwicklung, das Leben kennen zu lernen und
nicht nur Algorithmen oder Hörsäle?
Es hakt im System sehr deutlich, aber die Studenten haben noch nicht einmal Zeit, sich zu beklagen, denn es droht sonst die Streichung des Bafög.
Oder der Rausschmiss aus Arbeitsgruppen, wenn man sich über nicht mitarbeitenden Mitstreiter, die das entscheidende Gruppenergebnis gefährden,
beschwert. Wieso müssen die Guten die unmotivierten unter Gefährdung der Gesamtnote mitschleppen? Welches Unternehmen kann sich das erlauben?
Wir brauchen qualifizierte Ingenieure, Techniker, Informatiker und und und.
Aber noch dringender brauchen wir Menschen, die mitdenken (dürfen) und sich in der Gesellschaft engagieren können, die Familien gründen und unser Leben
mitgestalten. Angesichts der momentanen Situation bei den Schlauesten in unserem Lande wird mir da Angst und Bange.
Entrümpelung der Studienpläne, mehr Praxisnähe und mehr wertschätzende Kooperation Lehrende und Lernende sollten auf Ihrem Stundenplan stehen. So wie es jetzt ist,
geben zu viele junge Menschen auf, statt motiviert an den Unis zu studieren und ihre Ideen eigenständig entwickeln zu können.
Ich bin gespannt, ob ich Ihnen eine Antwort wert bin.
Mit den besten Grüßen
Susanne Nowacki
Sehr geehrte Frau Nowacki,
herzlichen Dank für Ihre Frage hier auf Abgeordnetenwatch.
Im Zuge der sogenannten Föderalismuskommission II ist die Zuständigkeit für den Bereich der Bildungspolitik fast ausschließlich zugunsten der Länder festgelegt worden. Als Bundespolitiker möchte ich mir nicht anmaßen, den Ländern für ihren Bereich Ratschläge zu erteilen.
Ich halte es für sehr richtig, dass zwischen Bund und Ländern die Zielsetzung vereinbart worden ist, ab dem Jahr 2015 jährlich 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Bildung und Forschung zu investieren. Im Jahr 2008 betrug der Anteil beispielsweise 8,6 Prozent. Insgesamt investierten Bund, Länder, Wirtschaft und private Haushalte im Jahr 2008 215,3 Milliarden Euro in Bildung und Forschung. Das waren 11,2 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Wir sind also auf einem guten Weg. Die Bundesregierung leistet dabei ihren Beitrag. Denn nie zuvor standen Bildung und Forschung mehr im Mittelpunkt der Bundespolitik als heute. Nie zuvor gab eine Bundesregierung total und anteilig mehr Geld für Bildung und Forschung aus. Trotz Sparanstrengungen in allen Bereichen wächst auch 2012 der Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum siebten Mal in Folge auf ein neues Rekordniveau. Er hat sich gegenüber 2011 um fast 10 Prozent auf 12,8 Milliarden Euro erhöht. Das sind 61 Prozent mehr als 2006.
Aus meiner Sicht können wir uns in Deutschland sehr glücklich schätzen, dass wir mit BAföG, Bildungs- und Studentenkredit und einem immer größer werdenden Stipendienangebot ein System entwickelt haben, das jedem studierwilligen Menschen die Möglichkeit der Absolvierung einer akademischen Laufbahn bietet. Auch wenn die Statistiken zeigen, dass man leider noch nicht von einer kompletten Chancengerechtigkeit sprechen kann, so muss man doch positiv vermerken, dass die Tür zum Studium erst einmal grundsätzlich jedem offen steht. Egal aus welcher sozialen Schicht jemand kommt oder welche Herkunft man hat: Wenn man unbedingt studieren möchte, kann man dies in Deutschland tun.
Die Finanzierung eines Auslandssemesters ist ebenfalls möglich. So gibt es für Kinder von einkommensschwachen Eltern Auslands-BAföG. Darüber hinaus werden die inländischen Studienkredite auch im Ausland weitergezahlt und Stipendien von verschiedenen Institutionen angeboten: vom Erasmus-Programm der Europäischen Union, vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, von der Studienstiftung des deutschen Volkes, von politischen Stiftungen wie z.B. der Konrad-Adenauer-Stiftung und von einer Vielzahl weiterer öffentlicher und privater Organisationen, die ein Studiensemester im Ausland möglich machen.
Des Weiteren zeigen aktuelle Zahlen, dass sich ausländische Studenten in Deutschland sehr wohl fühlen und die Lehre an den hiesigen Universitäten als sehr gut einstufen. Die Bundesrepublik zählt zu den attraktivsten Zielorten für angehende Akademiker aus anderen Ländern. Dabei kommen die ausländischen Studierenden nicht nur nach Deutschland, weil die Abschlüsse weltweit anerkannt sind, sondern vor allem auch weil die Lebenshaltungskosten und die Studiengebühren vergleichsweise gering sind. Außerdem hat Deutschland laut einer internationalen Umfrage hinter den USA das zweitbeste Nationenimage. Und auch beim weltweit durchgeführten Ranking des Karriere- und Bildungsdienstleisters Quacquarelli Symonds hinsichtlich der Attraktivität der Universitätsstädte für Studenten belegen Berlin mit Platz acht und München mit einem dreizehnten Rang vordere Plätze.
Sie sprechen in Ihrem Beitrag viele berechtigte Kritikpunkte an, die die Länder mit den vom Bund zur Verfügung gestellten Geldern hoffentlich bald beheben können. Wenn Sie in Düsseldorf sind, biete ich Ihnen gerne an, gemeinsam mit mir ein Gespräch mit Landespolitikern zu führen und nachzufragen, was konkret mit den Mitteln dort geschieht.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Jarzombek