Frage an Thomas Jarzombek von Jörg W. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Jarzombek,
ich habe gerade folgenden Pressebericht gelesen: http://www.railjournal.com/newsflash/traxx-operators-caught-in-dutch-german-etcs-dispute-1600.html
Demnach gibt es 60 Lokomotiven vom deutschen Hersteller Bombardier in Kassel, die mit dem europäischen Zugleitsystem ETCS ausgestattet sind. Diese Lokomotiven hatten offenbar eine unbefristete Zulassung für das deutsche Netz und eine befristete für das niederländische Netz. Bombardier hat daraufhin die von den Nierderlanden bemängelten Funktionen in einem Softwareupdate nachgeliefert und dort die unbefristete Zulassung erhalten.
Der mir völlig unverständliche Punkt ist aber, dass das deutsche Eisenbahnbundesamt daraufhin die existierende Zulassung der Lokomotiven für das deutsche Netz entzogen hat. Wie kann es sein, dass das hinzufügen von Funktionen, die nur in den Niederlanden relevant sind, dazu führt dass das deutsche Eisenbahnbundesamt neue Anforderungen für den Betrieb im deutschen Netz stellen kann?
Ich kann ja nachvollziehen, dass die neue Software vom EBA geprüft wird, aber dies muss sich doch darauf beschränken, ob die durchgeführten Änderungen sich auf den Betrieb in Deutschland auswirken. Andernfalls sehe ich hier dringenden Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, denn eine solche Regelung würde jegliche Weiterentwicklung im Eisenbahnbereich verhindern, da der Betreiber bei jeder Änderung befürchten müsste, seine bisherige Zulassung zu verlieren.
Ich frage mich ob es Sinn macht, dass jeder EU Mitgliedstaat eine eigene Zulassungsbehörde für Eisenbahnfahrzeuge hat. Wo selbst die Technik mit ETCS europaweit harmonisiert wird, warum braucht man da noch mehr als eine Zulassungsbehörde?
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Wartenberg
Sehr geehrter Herr Wartenberg,
vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.
Der von Ihnen erwähnte Presseartikel vom 13.04.2012 geht leider nicht detailliert auf den Umfang des Softwareupdates bei den Lokomotiven des Herstellers Bombardier ein. Das Update ändert neben den ETCS Funktionen unter anderem auch die Antriebs- und Bremssteuerung. Bei so tiefen Eingriffen in sicherheitsrelevante Systeme bedarf es für diese Änderungen einer Inbetriebnahmegenehmigung.
Da ETCS noch nicht auf allen europäischen Strecken verfügbar ist, werden die Triebfahrzeuge in der Regel mit mehreren Zugsicherungssystemen ausgerüstet. Das ist auch bei den Bombardier Lokomotiven der Fall. Neben dem europäischen ETCS ist z.B. das deutsche PZB (Punktförmige Zugbeeinflussung) installiert.
Um eine Inbetriebnahmegenehmigung für diese Änderungen zu erhalten, müssen zwei Schritte unternommen werden. Zum einen prüft eine benannte Stelle (Notified Body) die Einhaltung der europäischen Funktionen (z.B. ETCS). Zum anderen prüft der Mitgliedstaat (das Eisenbahn-Bundesamt) die nationalen Funktionen (z.B. PZB). Dabei ist es dem Mitgliedstaat nicht gestattet, die Prüfpunkte einer benannten Stelle erneut zu prüfen. So wird sichergestellt, dass es nicht zu der beschriebenen Mehrfachprüfung kommt. Ein Eingriff in die Antriebs- und Bremssteuerung hingegen umfasst sowohl europäische als auch nationale Aspekte.
Das Eisenbahn-Bundesamt hat also keine neuen Anforderungen aufgestellt. Es hat geprüft, ob die bisher formulierten nationalen Anforderungen nach wie vor eingehalten werden. Dass dabei eine Konzentration auf das Wesentliche stattfand, zeigt der zeitliche Verlauf. Bereits mit Erscheinen des Presseartikels war der Verkehr bis Emmerich wieder möglich. Seit dem 08.05.2012 liegt die Inbetriebnahmegenehmigung für das deutsche Gesamtnetz vor.
Der oben beschriebene Prozess zeigt auch, warum es Zulassungsbehörden in jedem Mitgliedstaat geben muss. Sie prüfen alle Punkte, die bislang noch nicht europäisch harmonisiert wurden. Dazu gehören die sichere Integration in das nationale Betriebsverfahren, die sichere Detektion des Fahrzeugs durch Gleisschaltmittel z.B. an Bahnübergängen, die elektromagnetische Verträglichkeit mit streckenseitigen Einrichtungen usw.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben. Ergänzend möchte ich das Thema in einem Telefonat mit Ihnen gerne näher besprechen und würde mich daher freuen, wenn Sie über mein Büro Kontakt mit mir aufnehmen (Telefon: 030/227-73520 oder E-Mail: thomas.jarzombek@bundestag.de ).
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Jarzombek