Frage an Thomas Jarzombek von Jürgen M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Jarzombek,
mit Entsetzen habe ich die Berichterstattung über die geplanten Einschränkungen des Rederechts für Bundestagsabgeordnete gelesen.
Meine Frage:
Wollen Sie dieser "Selbstkastrierung" der Abgeordneten zustimmen? Oder welchen Standpunkt vertreten sie zu diesem Thema ??
Ich persönlich empfinde diese Absicht als ein fatales Signal für eine parlamentarische Demokratie und kann verstehen, das sich immer mehr Menschen für die Piraten interessieren. Oder sollen auf diese Weise unbequeme Politiker wie Ihr Kollege Bosbach mundtot gemacht werden?
Diese Art der Politik hat für mich das Faß zum Überlaufen gebracht und ich werde bei der anstehenden NRW-Wahl zum ersten mal keine der sogenannten etablierten Parteien wählen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Möller (55 Jahre)
Sehr geehrter Herr Möller,
vielen Dank für Ihren Beitrag auf abgeordnetenwatch.de. Ihren Standpunkt zur Idee einer Beschränkung des Rederechtes von Abgeordneten, die nicht mit der Mehrheitsmeinung ihrer Fraktion übereinstimmen, kann ich nachvollziehen.
Freie Meinungsäußerung als wichtiger Bestandteil einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie darf nicht ohne Weiteres verboten werden. Eine umfassende Meinungsbildung versteht sich schließlich als Grundlage unseres Parlamentarismus.
Allerdings schränkt eine Limitierung der Redezeit in den Parlamentssitzungen den einzelnen Abgeordneten keinesfalls ein. Nach dem Wesen unserer Demokratie werden zuvor fraktionsintern alle Meinungen angehört und Entscheidungen anschließend per Mehrheitsabstimmung beschlossen. Dadurch wird im Folgenden die mehrheitliche Meinung der Fraktion im Plenum des Deutschen Bundestages vertreten, ohne dass jeder Abgeordneter seine persönlichen Ansichten in einem sehr zeitaufwendigen Prozess vorträgt. Eine Beschränkung der Redezeit hat dementsprechend nicht das Ziel „unbequeme“ Parlamentariern „mundtot“ zu machen, sondern soll lediglich zu einem erfolgreichen und effizienten Ergebnis der Versammlungen des Deutschen Bundestags beitragen.
Obwohl eine Beschränkung des Rederechts unter diesem Aspekt durchaus sinnvoll erscheint, ist es in besonderen Fällen sicherlich wichtig, dass auch Abweichler einer Fraktion ihre persönliche Meinung frei äußern können. Zu diesem Zweck hat der Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert im Rahmen bestimmter Debatten einzelnen Abgeordneten Redezeit außerhalb der Fraktionskontingente gewährt.
Angesichts der anhaltenden Kritik wird es keine Reform des Rederechtes im Deutschen Bundestag geben, wie die Presse in der letzten Woche bereits berichtete. Abgeordnete mit einer von ihrer Fraktion abweichenden Meinung können sich also auch zukünftig in Parlamentssitzungen frei äußern. Ich halte dieses Ergebnis für richtig.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Jarzombek