Sehr geehrter Herr Heilmann, was hat Sie heute von der Teilnahme an der Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz abgehalten?

Sehr geehrte Damen und Herren,
nach den Abstimmungen des Deutschen Bundestags über den 5-Punkte-Plan der Union am 29.01. und über den Entwurf zum Zustrombegrenzungsgesetz am 31.01. haben mich extrem viele Zuschriften erreicht – sowohl mit sehr positiven Rückmeldungen als auch mit starker Kritik.
Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen erst am Tag nach der Wahl antworte.
Im Vorfeld der Abstimmungen haben wir uns als CDU/CSU Fraktion beraten. Dabei ist eine Mehrheit in meiner Fraktion zu der Auffassung gekommen, dass es richtig sei, Antrag und Gesetzentwurf so in den Bundestag einzubringen. Das muss ich als Demokrat akzeptieren - und kann diese Auffassung trotzdem nicht teilen: Nach Artikel 38 unseres Grundgesetzes bin ich für mein Abstimmverhalten allein meinem Gewissen verpflichtet. Deswegen habe ich an den beiden Abstimmungen nicht teilgenommen. Im Übrigen wäre das Gesetz mit den Stimmen der 12 Mitglieder des Bundestages aus der CDU/CSU Fraktion, die nicht mit abgestimmt haben, ebenfalls nicht angenommen worden - es wäre zu einem Patt gekommen.
Das Abstimmungsverhalten meiner Fraktion halte ich für unnötig, grenzüberschreitend und sowohl für die Begrenzung der Migration als auch für die Integration nicht für dienlich. Unsere Verfahren zur Feststellung von Schutzstatus und Duldungsanspruch sind bürokratisch, nicht effizient organisiert und führen nicht zu einer Unterstützung der am stärksten Schutzbedürftigen.
Wenn jedes nicht gezogene Parkticket konsequent verfolgt wird, aber Ausreisepflichten nicht durchgesetzt werden, untergräbt das das Vertrauen in unseren Rechtsstaat - und das nicht nur auf der Seite der Menschen, die hier leben und aufgewachsen sind: Jahrelange Ungewissheit ist auch nicht im Interesse von Migranten.
Deshalb ist hier die demokratische Mitte gefragt, Lösungen zu finden, die unserem humanitären Anspruch gerecht werden, gleichzeitig Ordnung schaffen - und diese auch durchsetzen. Dazu habe ich viele detaillierte Vorschläge ausgearbeitet, etwa zur Idee einer Abwicklung von Asylverfahren in Drittstaaten (sogenannte Drittstaatenlösung) - wenn sie darüber mehr Erfahren wollen, können Sie gerne meinen immer noch aktuellen Gastbeitrag in der FAZ lesen, den ich am 03. November 2023 gemeinsam mit Serap Güler, Thomas Röwekamp und Kai Whittaker veröffentlichen durfte (abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/cdu-vorstoss-zur-migration-humaner-fluechtlingsschutz-19288818.html)
Anträge im Bundestag - wie der 5-Punkte-Plan der Union - die keine Rechtswirkungen entfalten können, sondern nur zur Abstimmung stehen (etwa wie ein Wahlprogramm), erscheint mir wenig zielführend. Dass wir dabei unseren Grundsatz aufgegeben haben, keine Beschlüsse mithilfe der AfD zur Mehrheit zu verschaffen, halte ich für falsch.
Ich hoffe sehr, dass das ein einmaliger Ausrutscher bleibt.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Heilmann