Frage an Thomas Heilmann von Luisa K. bezüglich Entwicklungspolitik
Sehr geehrter Herr Heilmann,
kommende Woche soll über das Lieferkettengesetz entschieden werden und sie sind im federführenden Ausschus für Arbeit und Soziales. Sie haben sich in den Medien in letzter Zeit allerdings nur zu einer europäischen Lösung und dem Lieferkettenregister ausgesprochen. Wie stehen sie zu dem Gesetzesentwurf des deutschen Lieferkettengesetz? Setzten sie sich für die Erweiterung der Sorgfaltspflichten auf die gesamte Lieferkette, für die zivilrechtliche Haftung und für einen Wirkungsbereich für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern ein?
LG Luisa Kassube
Sehr geehrte Frau Kassube,
vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie sich erneut mit dem Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten auseinandersetzen.
Ich habe dem Lieferkettengesetz zugestimmt und dazu auch eine Rede gehalten, die Sie hier anschauen können: https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7526663#url=aHR0cHM6Ly93d3cuYnVuZGVzdGFnLmRlL21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NTI2NjYz&mod=mediathek
Darin sage ich auch, dass das jetzige Gesetz ein guter, wenn aber auch nur erster Schritt sein kann. Das Lieferkettengesetz soll die Menschenrechtssituation entlang der Lieferketten verbessern. Im künftigen Lieferkettengesetz sollen Unternehmen beim Import prüfen, inwieweit entlang ihrer Lieferketten Risiken bestehen und Prozesse aufsetzen, diese Risiken zu minimieren. Über die groben Eckpunkte haben sich die zuständigen Ministerien in Deutschland geeinigt. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Europäische Union plant derzeit ein europaweites Gesetz. Ich habe ein Konzept vor Augen, wie wir mit diesem Gesetz weitere Verbesserungen vor Ort erreichen können. Eine europäische Regulierung kann aus meiner Sicht nur vor Ort wirksam sein, wenn sie folgende Dinge erfüllt:
· Alle EU-Partner handeln einheitlich
· Die Unternehmen werden verpflichtet, ihre Lieferketten besser zu prüfen
· Gleichzeitig werden die bürokratischen Erfordernisse reduziert
· Mit den Herstellern und Lieferanten vor Ort wird entwicklungspolitisch kooperiert, statt sie einfach nur aus dem Markt zu verdrängen
Mein Vorschlag ist - wie Sie ja bereits schreiben - ein digitales Lieferkettenregister, in dem wir transparent und fortlaufend eintragen, welche Lieferanten und Hersteller sich für die Verbesserung ihrer Arbeitssituation einsetzen und welche nicht. Der Kern des Vorschlages ist die Zertifizierung der Arbeitsstätten – dort wo Menschenrechtsverletzungen vorkommen können und verhindert werden sollen. Gerne übersende ich Ihnen bei Interesse meinen Vorschlag zur Einführung eines digitalen Lieferkettengesetzes: https://heilmann.berlin/data/documents/2021/02/27/2-603a62fc9dee1.pdf. Weiterhin sprechen Sie die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen an. Eine zivilrechtliche Haftung befürworte ich nicht, weil ich erstens für wenig hilfreich für die Betroffenen halte, die jetzige Bußgeldregelung für wirksamer halte, er zudem unnötig große unnötige Sorgen bei Unternehmen auslöst und es zudem dem bisherigen System des internationalen Privatrechts widerspricht. Schadensfälle im Ausland richten sich üblicherweise nach Art. 4 Abs. 1 der Rom II-Verordnung. Diese sieht vor, dass primär das Recht desjenigen Staates anzuwenden ist, in dem der Schaden eingetreten ist. Sinn und Zweck dieser Regelung ist der Opferschutz. Der Geschädigte soll sich auf die Geltung der ihm vertrauten Rechtsordnung verlassen können und nicht mit einem ausländischen Rechtssystem konfrontiert werden. Eine Anwendung deutschen Rechts würde dazu führen, dass betroffene Arbeitnehmerinnen ihre Rechte vor einem deutschen Gericht einklagen müssten. Ein solches Vorgehen halte ich für nicht zielführend und in der Praxis nur schwer umsetzbar. Ein elementarer Grundsatz des deutschen Rechts ist weiterhin die Verschuldenshaftung. Diese verhindert die Verantwortlichkeit für einen Schaden, auf denen jemand keinen Einfluss hatte. Im deutschen Recht ist nur derjenige, der selbst vorsätzlich oder fahrlässig eine Pflicht verletzt hat, oder einen Schaden verursacht hat, zum Schadenersatz verpflichtet. Ausnahmsweise kann auch das Verschulden Dritter dem Unternehmen zugerechnet werden, soweit der Dritte als Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe tätig wird. Mithin z.B. im Pflichtenkreis des Unternehmens tätig wird, oder weisungsgebunden handelt. Innerhalb einer Lieferkette werden Zulieferer aber regelmäßig nicht als Gehilfen einzuordnen sein, sodass eine Verschuldenshaftung selten wird. Den Wirkungsbereich des Lieferkettengesetzes anhand der Mitarbeiterzahl zu bestimmen, halte ich nicht für zielführend. Eine Beratungsfirma mit 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann praktisch keine Berührung mit Importen haben, und ein kleines Unternehmen mit 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon. Die richtigen Kennzahlen sind aus meiner Sicht der erzielte Umsatz in Europa und das Importvolumen.
Leider ist aus einem Versehen heraus diese Antwort nicht mehr vor der Sommerpause versandt worden. Ich bitte um Entschuldigung.
Bleiben Sie weiterhin gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Heilmann