Frage an Svenja Stadler von Silvia P. bezüglich Gesundheit
Guten Tag,
meine Frage bezieht sich auf die geplante Masernimpfpflicht. Können Sie mir bitte die Inhaltsstoffe sowie deren Wirkungsweise nennen? Wie stehen Sie zu der Impfpflicht?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau P.,
zu Ihrer Anfrage bezüglich der Inhaltsstoffe eines Masernimpfstoffs und deren Wirkungsweise empfehle ich Ihnen sich an ihren Arzt oder Apotheker zu wenden, die Ihnen, mit ihrer weitaus größeren inhaltlichen Fachexpertise, sicherlich eine genauere Auskunft geben können, als mir das im Detail möglich wäre. Auch ich kann mich bei diesem Thema nur auf die Statistiken und Informationen, die mir dazu zugekommen sind, berufen.
Was meinen eigenen Standpunkt zur Impfpflicht betrifft, möchte ich gerne vorrausschicken, dass ich mir persönlich zu dem Thema "Impfpflicht" noch kein abschließendes Urteil gebildet habe. Grundsätzlich bin ich aber jemand, der es mindestens bedenkenswert findet, Menschen zum Impfen zu verpflichten.
Gleichwohl ist im Koalitionsvertrag festgehalten, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Impfquoten zum Schutz der Bevölkerung zu erreichen. Die Verbesserung der Impfprävention ist ein wichtiges gesundheitspolitisches Vorhaben, neben zahlreichen weiteren, zu denen wir in dieser Legislaturperiode bereits gesetzgeberische Maßnahmen umgesetzt haben. Alle Vorhaben und Initiativen dienen dem Ziel, die Qualität der medizinischen Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern und damit letztlich auch Behandlungsfehler zu vermeiden. Wir beschäftigen uns also bei weitem nicht nur, aber eben auch mit dem Thema Impfen.
Von einer Masernerkrankung sind besonders häufig Kinder in den ersten beiden Lebensjahren betroffen. Sie tragen auch ein erhöhtes Risiko dafür, dass eine Maserninfektion zu schwerwiegenden Komplikationen führt und müssen besonders häufig wegen einer Masern-Erkrankung stationär behandelt werden. Durch eine vorübergehende Immunschwäche kommt es nach einer Masernerkrankung zu anderen Erkrankungen wie z.B. Durchfall, Mittelohrentzündung, Hörschäden, Lungenentzündung und Gehirnentzündung. Bei 10 von 10.000 Masern-Erkrankten entwickelt sich in Folge der Erkrankung eine Gehirnentzündung, etwa 2 bis 3 Betroffene behalten schwere Schäden wie geistige Behinderungen und Lähmungen zurück. Als Spätfolge kann die so genannte subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auftreten, eine schwere und stets tödlich verlaufende Gehirnerkrankung. Eine SSPE entwickelt sich bei 2 bis 6 von 10.000 Kindern, die zum Zeitpunkt der Maserninfektion jünger als 5 Jahre alt sind. Die Wahrscheinlichkeit, an Masern zu sterben, liegt bei 1 Todesfall pro 1.000 Masernerkrankte. Gegen die Masern-Erkrankung selbst gibt es keine Behandlung. Masern sind extrem ansteckend. Ohne Impfschutz infizieren sich etwa 95 von 100 Menschen, wenn sie Kontakt zu einem Erkrankten hatten. Sowohl für den individuellen Schutz jeder und jedes Einzelnen als auch für den Gemeinschaftsschutz zugunsten von Menschen, die nicht geimpft werden können, brauchen wir eine ausreichende Masern-Impfquote.
In der Europa-Region der WHO sind die Masernfälle zuletzt stark angestiegen. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 berichteten 49 der 53 Länder der Region zusammen über 174 000 Masernfälle und über 100 masernbedingte Todesfälle. Vier Länder in der Europaregion der WHO haben ihren Masern-Eliminierungsstatus verloren: Albanien, Griechenland, Tschechien und das Vereinigte Königreich. Weltweit haben sich die Masernfälle 2019 vervierfacht.
Unser Ziel ist es, Masern in Deutschland zu überwinden und in Europa weiter einzudämmen. Dazu brauchen wir eine Impfquote von mindestens 95 Prozent der Bevölkerung. Bei Kindern vor dem Schuleintritt erreichen wir mit der ersten Masernimpfung deutschlandweit zwar 97 Prozent, aber schon hier gibt es deutliche regionale Unterschiede. Zweimal gegen Masern geimpft sind nur noch 93 Prozent der Schulanfängerinnen und Schulanfänger. Laut BARMER-Arzneimittelreport 2019 könnten die Impfquoten sogar noch darunter liegen.
Das Paul-Ehrlich-Institut prüft und bewertet fortlaufend anhand aktueller wissenschaftlicher Daten den Nutzen und das Risiko von Impfstoffen und dokumentiert jährlich die Meldungen des Verdachts einer Impfkomplikation oder einer Nebenwirkung nach Impfung. Neben den bestehenden gesetzlichen Meldepflichten können seit 2012 auch betroffene Personen und deren Angehörige den Verdachtsfall einer unerwünschten Impfreaktion oder Nebenwirkung melden. Das Meldeverfahren ist in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert worden.
In Deutschland gibt es derzeit keinen zugelassenen Einfach-Impfstoff gegen Masern. Wir werden uns im parlamentarischen Verfahren damit auseinandersetzen müssen, was das für die beabsichtigte Masern-Impfpflicht bedeutet. Impfstoffe werden wie alle anderen Arzneimittel in Deutschland durch den jeweiligen Hersteller und nicht etwa den Bundesgesundheitsminister in den Verkehr gebracht. Es kommt also darauf an, ob und wann ein Hersteller die Zulassung für einen Einfach-Impfstoff gegen Masern bei der zuständigen Arzneimittelbehörde beantragt und erhält. Die verfügbaren Kombinationsimpfstoffe sind wirksam und gut verträglich. Von 10.000 Geimpften entwickeln etwa 500 bis 1.500 allgemeine Beschwerden wie leichtes bis mäßiges Fieber, Kopfschmerzen, Mattigkeit oder Magen-Darm-Beschwerden. Bei etwa 500 Geimpften entwickelt sich an der Einstichstelle in den ersten drei Tagen nach der Impfung eine Rötung oder Schwellung. Etwa 10 Tage nach einer MMR-Impfung bekommen 200 bis 500 von 10.000 Geimpften für wenige Tage einen masernähnlichen Hautausschlag, der auch „Impfmasern“ genannt wird. Dieser kann mit mäßigem Fieber einhergehen. Impfmasern sind nicht ansteckend. Nach einer MMR-Impfung tritt extrem selten, in weniger als 1 von 10.000 Fällen, eine allergische Reaktion auf.
Niemand bestreitet, dass eine Masernimpfung eine unerwünschte Reaktion oder Nebenwirkung zur Folge haben kann. Das Risiko einer schwerwiegenden Komplikation im Zusammenhang mit einer Masernimpfung ist aber sehr gering, im Gegensatz zum Risiko, ungeimpft schwer an Masern zu erkranken.
Wir wollen einen besseren individuellen Schutz, insbesondere von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht geimpft werden können, sowie einen ausreichenden Gemeinschaftsschutz vor Maserninfektionen erreichen. Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes verhindert die zweifache MMR-Impfung bei 93-99% der Geimpften den Ausbruch einer Erkrankung und führt bei diesen erfolgreich Geimpften in der Regel zu lebenslanger Immunität. Eine Antikörperbestimmung führe dagegen, so das Robert-Koch-Institut, nicht immer zu einem eindeutigen Ergebnis und sei deshalb als Entscheidungskriterium für Immunität schlechter geeignet als der Nachweis einer zweimaligen Masernimpfung.
Der Deutsche Bundestag hat die parlamentarischen Beratungen zum Entwurf eines Masernschutzgesetzes der Bundesregierung diesen Herbst aufgenommen und setzt sich intensiv mit den Regelungen des Gesetzentwurfes auseinander. Es hat dazu am 23. Oktober eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss gegeben, wobei auch Fragen zum Nutzen-Risiko-Verhältnis mit den Expertinnen und Experten, beispielsweise vom Robert-Koch-Institut oder dem Paul-Ehrlich-Institut, erörtert wurden.
Die vollständige Aufnahme können sie unter folgendem Link finden: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/anhoerungen/masernschutz-661366. Insbesondere meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss werden nun die Erkenntnisse aus der Anhörung auswerten, und wir werden uns dann auch in der Fraktion weiter beraten.
Mit freundlichen Grüßen
Svenja Stadler