Frage an Svenja Stadler von Martin H. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Stadler,
die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Frau Aydan Özuguz (SPD), hat sich aktuell gegen eine generelle Aufhebung von Ehen mit minderjährigen ausgesprochen.
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-11/aydan-oezoguz-integrationsbeauftragte-kinderehen
Sie stellt sich zusmannen mit Herrn Maas (BMJV) gegen den Vorschlag der CDU Kinderehen grundsätzlich zu verbieten.
Da bislang kein nennenswerter Widerspruch aus der SPD festzustellen ist, gehe ich davon aus, dass die o. g. Meinungen den Konsens innerhalb der SPD darstellen. Hieraus ergeben sich für mich einige Fragen zur generellen Position der SPD:
Müsste konsequenterweise nicht die juristische Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen dahingehend geändert werden, dass bspw. eine 10jährige Mutter (gem. Artikel aus ZON derzeit 361 Ehen mit mindestens einem Partner der jünger als 14 Jahre ist) als erziehungsberechtigte eines Kindes beispielsweise Betreuungsvertäge für das eigene Kind abschließen kann (vgl. § 106 ff. BGB)? Nach aktuellem Recht dürfte eine bspw. 12jährige Mutter alleine keinen Kinderwagen für das eigene Kind kaufen. Ist dies angesichts der Forderungen von Frau Özuguz noch zeitgemäß?
Wie beabsichtigt die SPD die Rechtslage bei Niederkunft einer 10jährigen Ehe-"frau" zu gestalten? Wird der oder die möglicherweise volljährige (bspw. 60 Jahre alte) Ehemann auch weiterhin strafrechtlich wegen Kindesmißbrauch belangt?
Entspricht es dem Gleichheitsgrundsatz, wenn Ehen mit Kinder von Emigranten anerkannt werden, Ureinwohnern diese Option aber verwehrt wird?
Müsste grundsätzlich nicht auch die Strafmündigkeit den neuen gesellschaftlichen Normen angepasst werden? Wenn bspw. eine 13 jährige Mutter Ihr Kind vernachlässigt, wäre sie zur Zeit wegen Strafunmündigkeit nicht zu belangen. Wie passt dies zum Bild einer verantwortungsbewussten 13 Jährigen, die sich mit Blick auf Ihrer Ehe Sorgen um Ihre Unterhalts- und Erbschaftsansprüche macht?
Im Voraus vielen Dank für Ihre Anwort.
Sehr geehrter Herr Hansen,
ich danke Ihnen für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner bzw. der Position der SPD in der Frage der Ehemündigkeit und dem Umgang mit Ehen von Minderjährigen.
Diese Frage wird gerade anlässlich eines Gesetzesvorhabens des Bundesjustizministers intensiv und teilweise sehr emotional diskutiert. Die Emotionalität ist in dieser Debatte durchaus verständlich, geht es doch sowohl um die staatliche Regelung einer sehr privaten, sehr persönlichen Entscheidung über Lebensweg und das je eigene Glück, um die Auseinandersetzung mit Traditionen und Werten anderer Kulturen, als auch um die staatliche Verantwortung für den Schutz des Kindeswohles.
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich auf eine Klarstellung bezüglich der SPD-Position zum Alter der Ehepartner und –partnerinnen beschränke. Ihre Fragen zur Geschäftsfähigkeit von 10-jährigen und zur Strafmündigkeit von 13-jährigen Müttern halte ich in diesem Zusammenhang für nicht wesentlich relevant. Dass Minderjährige Mütter (oder Väter) werden oder sind, hat wenig mit dem Familienstand zu tun. Und unabhängig davon sollte in solchen Fällen stets dem Jugendamt die Aufgabe zukommen, die Elternschaft zum Wohle der Jugendlichen in der Elternrolle als auch zum Wohle des Kindes zu begleiten.
Beim bestehenden Handlungsbedarf im Eherecht ist zu unterscheiden zwischen einem Verbot von Eheschließungen für Minderjährige und dem Umgang mit bereits geschlossenen Ehen.
Der erste Punkt ist unstrittig. Bereits nach geltendem Recht werden junge Menschen erst mit Erreichen der Volljährigkeit ehemündig. Hier wird nichts abgeschwächt oder verwässert – im Gegenteil. Die derzeit noch bestehende Möglichkeit, in Ausnahmefällen ab einem Alter von 16 Jahren zu heiraten, sofern der Partner /die Partnerin volljährig ist (nur mit Beschluss des Familiengerichts unter Abwägung des Kindeswohles), wird gestrichen. Und, um an dieser Stelle Ihre Frage nach dem Gleichheitsgrundsatz zu beantworten, macht es für deutsche Standesämter selbstverständlich keinen Unterschied, woher die Heiratswilligen kommen und welche Staatsangehörigkeit sie haben.
Die Frage nach dem Umgang mit bereits geschlossenen Ehen gewinnt in jüngster Zeit zunehmend an Relevanz. Denn mit der Einwanderung zahlreicher Flüchtlinge aus Syrien und anderen muslimisch geprägten Länder hat die Zahl von Verheirateten im Jugendalter stark zugenommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Krieg und der damit einhergehende Auswanderungsdruck zu einem extremen Anstieg der Eheschließungszahlen bei Minderjährigen führt. Experten sehen Minderjährigen-Ehen eher als ein Symptom von Krisen, weniger als Ausdruck von Kultur oder Religion.
Die von Ihnen skizzierten Szenarien führen uns bei der im Raum stehenden Frage nicht weiter, da es dabei lediglich um Jugendliche ab 16 Jahren geht. Im Ausland geschlossene Ehen, in denen mindestens ein Partner/eine Partnerin minderjährig ist, werden bereits jetzt ausnahmslos als mit deutschem Recht unvereinbar bewertet, wenn der oder die Minderjährige unter 14 Jahre alt ist. Ob hier nun eine absolute Anhebung auf 18 Jahre erfolgen soll oder eine Anhebung auf 18 Jahren, die einzelfallbezogene Ausnahmen für über 16-Jährige offen lässt, macht den Unterschied zwischen den zur Diskussion stehenden Lösungsvorschlägen aus.
Bei der Bewertung sollten wir uns nicht davon leiten lassen, ob es uns gefällt oder missfällt, dass Minderjährige in anderen Ländern nicht vor verfrühten Eheschließungen geschützt werden. Vielmehr geht es darum, einen Umgang damit zu finden, der den Lebenssituationen der jeweiligen Betroffenen gerecht wird. Für die generelle Nichtanerkennung jeder Ehe mit mindestens einer minderjährigen Person spricht die Symbolkraft, die eine eindeutige Regelung aufweisen würde.
Falls wir uns mit unserem Koalitionspartner für diese Variante entscheiden, sollten wir aber die Einwände der Kritiker, zu denen durchaus Experten aus den Bereichen Menschenrechte und Kinderrechte zählen, nicht unberücksichtigt lassen. Rechtliche Aspekte wie Schutz von Unterhaltsansprüchen, das Erbrecht sowie der Aufenthaltsstatus sind dabei das Eine. Ebenso sind aber auch die eventuellen sozialen Folgen mitzudenken: Wird eine möglicherweise glückliche Familie auseinandergerissen? Welche Folgen hat die Aberkennung der Ehe für das Ansehen der Frau innerhalb ihrer Community? Wie auch immer das Gesetz im Ergebnis aussehen wird, das Wohl und das Interesse der verheirateten Minderjährigen steht für mich dabei im Fokus.
Mit freundlichen Grüßen
Svenja Stadler