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Svenja Stadler
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Frage von Peter V. •

Frage an Svenja Stadler von Peter V. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Stadler,
in dem ZEIT-Artikel (41/2014) „Zahlst DU noch, oder trickst Du schon“ wird einmal mehr (hier am Beispiel Ikea) auf die legalen Praktiken der Steuerminimierung großer, global agierender Unternehmen wie Apple, Google Starbucks hingewiesen. Nach Schätzungen der EU-Kommission beträgt die “legale Steuervermeidung und die Steuerhinterziehung“ in Europa jährlich ca. 1.000 Milliarden €. „Mehr Geld als der Eurorettungsschirm an Kapital bereithält“.

In der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie NNS (Fortschrittsbericht 2012) weist die Bundesregierung auf das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) hin und meint damit eine freiwillige, über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, die in Deutschland zu den Grundelementen der sozialen Marktwirtschaft gehört.

In den IKEA Sustainability Reports findet man unter „Governance und ethics ” den code of conduct: “Good Business with Common Sense”.

Die Finanzminister der G20 billigten am 14.09.2014 bei ihrem Treffen im australischen Cairns nach Angaben aus Verhandlungskreisen ein erstes Maßnahmenpaket gegen aggressive Steuergestaltung und Gewinnverlagerungen (u.a. Stern).

Frage 1:
Wie bewerten Sie die legalen Steuervermeidungen
• unter dem Gesichtspunkt einer über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden gesellschaftlichen Verantwortung (CSR)?
• bzgl. der Wirkungen auf den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft (Gerechtigkeitsempfinden). Sozialer Zusammenhalt bildet eine der vier Leitlinien der NNS.
Frage 2: Halten Sie das in Cairns beschlossene Maßnahmen-Paket sowohl inhaltlich als auch von der zeitlichen Realisierung her für ausreichend?

Mit freundlichen Grüßen
Peter Vollmer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Vollmer,

vielen Dank für Ihre Frage zum Umgang mit den Steuervermeidungspraktiken internationaler Unternehmen.

In der Tat sind die Strategien zur Umgehung der Steuerpflicht, die Konzerne wie Ikea, Starbucks aber auch Volkswagen, Bayer u.s.w. anwenden, ein weltweiter Skandal. Mag die Jongliererei mit Bilanzen auch nach jeweils aktuellen nationalen Gesetzen juristisch nicht angreifbar sein - mitnichten erfüllt die taktische Steuerschuldminimierung den Anspruch an gesellschaftlicher Verantwortung, mit dem der Gesetzgeber Unternehmenssteuern erhebt. Auf der einen Seite wird der Allgemeinheit in Gestalt des Fiskus der angemessene Anteil am Gewinn vorenthalten, auf der anderen Seite präsentiert man sich mit sozialen Projekten – die ein erheblich geringeres Kostenvolumen umfassen. Das kann ich eigentlich nur als Farce bzw. Imagekampagne verstehen.

Die Wirkung auf die soziale Balance ist mehrschichtig. Zum einen verschaffen sich international tätige und nur somit zu solchen Praktiken fähige Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber regionalen Wettbewerbsteilnehmern. Des Weiteren dient die Gewinnmaximierung der Unternehmen auf der Ebene der Einzelpersonen ja auch nur einer kleinen Minderheit. Im Bild der sich öffnenden Schere gesprochen, entfernen sich die wenigen Profiteure damit auf der oberen Klinge immer weiter von denen auf der unteren. Und schließlich liegt es auf der Hand, dass der Staat, je mehr er um seine Einnahmen betrogen wird, umso weniger gut seine Aufgaben erfüllen kann. Das spüren jene, die sich auf eine tadellose Daseinsvorsorge des Staates verlassen können müssen, weil sie sich beispielsweise keine Schulbildung, oder Krankenversorgung aus privater Tasche leisten können. Die größten Leidtragenden sind natürlich jene, die auf die Solidarität der Gemeinschaft in Form von Grundsicherungsleistungen angewiesen sind.

Ich sehe den sozialen Zusammenhalt in Gefahr und halte es für eine der vordringlichen Aufgaben der Politik, den Trend der sich öffnenden Schere umzukehren.
Daher haben wir im Koalitionsvertrag den Kampf gegen grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen international operierender Unternehmen, die Herstellung umfassender Transparenz zwischen den Steuerverwaltungen und Vermeidung eines schädlichen Steuerwettbewerbes zu zentralen steuerpolitischen Aufgaben erklärt. Dass wir damit auf gemeinsamer Linie mit den anderen OECD-Mitgliedern liegen und dass die Finanzminister der G20 sich zur konsequenten Umsetzung eines entsprechenden OECD-Maßnahmenpakets bekannt haben, ist eine sehr erfreuliche Nachricht. Denn ein Erfolg auf diesem Gebiet hängt naturgemäß davon ab, dass die Staaten hier geschlossen vorgehen und möglichst keiner in Erwartung eines individuellen Vorteils ausschert. Das in Cairne beschlossene Maßnahmenpaket gehört zu den ersten Schritte auf unserem Weg zu mehr Steuergerechtigkeit. Sollte es im Zusammenspiel mit anderen Staaten Blockaden geben, ist Deutschland auch bereit, einzelne Maßnahmen zunächst auf nationaler Ebene einzuleiten.

Über Eines müssen wir uns jedoch leider im Klaren sein:
Das Thema wird langfristig eine „Dauerbaustelle“ bleiben, denn die einschlägigen Unternehmen werden auch zukünftig ihre ganze Kreativität dafür aufwenden, nach der Schließung eines Steuerschlupfloches, ein neues nutzbar zu machen. Doch davon dürfen wir uns nicht entmutigen lassen.

Mit freundlichen Grüßen
Svenja Stadler

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