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Svenja Stadler
SPD
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Frage von Peter V. •

Frage an Svenja Stadler von Peter V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stadler,

in einem ZEIT-Artikel (Nr. 27, 26.06.14 - ) kritisiert der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer die kürzlich erfolgte deutsche Umsetzung des Antikorruptionsübereinkommens der Vereinten Nationen aus dem Jahre 2003(StGB §108e).
Herr Fischer kritisiert die Arbeit des Gesetzgebers sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Beziehung. Die Zwischenüberschriften in dem Artikel lauten "alles was schmerzt bleibt straflos" und "die Lobbyisten werden jubeln". Der Richter schließt mit der Feststellung "Das neue Gesetz hingegen ist für die intelligenten und gefährlichen Täter, die es ohne Zweifel gibt, nicht mehr als ein Witz. Es bestätigt eine alte Regel: Wenn die Wölfe Gesetze gegen die Wilderei machen, haben die Schafe nichts zu lachen". M.E. eine schwerwiegende Aussage eines ranghohen Juristen.
Vor dem Hintergrund, dass der Normalbürger in der Regel nicht in der Lage, ist die Sachverhalte zu prüfen, verstärkt sich durch diesen Artikel das Misstrauen in die Lobby-Politik-Beziehungen. Da kommen einem z. B. Gedanken an die aktuell vorgenommene Budgeterhöhung (1,1 Mrd. €) für den Berliner Flughafen und man fragt sich, ob da alles im Sinne der Artikel 5 und 14 des Antikorruptionsübereinkommens (objektive Kriterien bei der Einstellung und Beförderung von Beamten und für die öffentliche Auftragsvergabe,
Förderung von Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen und im Privatsektor) abgelaufen sein kann. Unabhängig von der Berechtigung dieser Gedanken sind sie Fakt und als Folge intransparenter Lobby-Politik-Beziehungen zu sehen.
Sehr geehrter Frau Stadler, ich bitte Sie folgende Fragen zu beantworten:

Halten Sie die Kritik von Herrn Fischer in dem o.a. ZEIT-Artikel für berechtigt?

Können Sie das genannte Misstrauen zahlreicher Bürger in die Lobby-Politik-Beziehungen nachvollziehen?

Mit freundlichen Grüßen
Peter Vollmer
Veröffentlich im Blog: http://www.waehlerauftrag.blogspot.de/2014/07/kritik-am-antikorruptionsubereinkommen.html

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Vollmer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 02. Juli.

Von mir wissen zu wollen, ob die Kritik des Vorsitzenden Richters des Bundesgerichtshofes, Herrn Thomas Fischer, an der strafrechtlichen Regelung zur Abgeordnetenbestechung berechtigt ist, ist für mich als Nicht-Juristin eine anspruchsvolle Herausforderung. Ich stehe dazu, dass meine Zustimmung zu diesem Gesetz, auf meinem Vertrauen in die Argumentation der Experten und Fachpolitiker meiner Fraktion im Bereich Recht basiert.

Demnach bin ich überzeugt, dass die im April vorgenommene gesetzliche Regelung auf jeden Fall eine längst überfällige Verbesserung gegenüber der vorherigen Situation darstellt, in der nur der Stimmkauf und -verkauf bei Wahlen und Abstimmungen gemäß § 108e des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar war. Ich gehe zudem davon aus, dass die mit diesem Gesetz ermöglichte und seit 2003 ausstehende Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption ebenfalls ein erfreulicher Fortschritt ist.

Die neue, am 1. September in Kraft tretende Gesetzesregelung gegen Abgeordnetenbestechung knüpft die Strafbarkeit an eine konkrete Unrechtsvereinbarung. Ein Vorteil muss dafür gefordert oder gewährt werden, dass der Mandatsträger sich in einer bestimmten Weise im Auftrag oder nach Weisung des Auftraggebers verhält. Ein derartiges Verhalten stünde im Widerspruch zur grundgesetzlich geschützten Ausübung des freien Mandats. Die Tatbestandsmerkmale " Auftrag" und "Weisung" sind weit zu verstehen; erfasst wird jede Handlung, die den Abgeordneten dazu bewegen soll, sich dem Interesse des Auftrag- oder Weisungsgebers zu unterwerfen. Nicht erforderlich ist, dass es sich um einen rechtsgeschäftlichen Auftrag oder eine förmlich Weisung handelt. Die Merkmale sind viel mehr, ebenso wie die Tatbestandsmerkmale "Kaufen" und "Verkaufen" in § 108e Abs. 1 StGB im Sinne eines allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen. Im Übrigen können sich Abgeordnete schon dann strafbar machen, wenn sie einen Vorteil fordern und als Gegenleistung dafür weisungsgemäßes Verhalten anbieten. Dass Geld tatsächlich geflossen ist und der Abgeordnete seine Gegenleistung weisungsgemäß erbracht hat, muss nicht nachgewiesen werden. Kriterium der Strafbarkeit ist der Tatbestand einer Kausalbeziehung zwischen dem ungerechtfertigten Vorteil und der Handlung.

Im Wesentlichen werden von den Kritikern, so auch von Herrn Fischer, die Beweisschwierigkeiten bemängelt. Meiner Ansicht nach sollte man einen Unrechtstatbestand aber nicht nach seiner Beweisbarkeit bewerten und definieren. Würde das nicht suggerieren, dass derjenige, der nur intelligent genug ist, seine Taten unnachweisbar zu gestalten sich auf der Seite des Rechts befindet? Ich denke, eine schwierige Beweisbarkeit ist keine Rechtfertigung für eine Überkriminalisierung.

Die Kritik von Herrn Fischer, als Vertreter der Rechtsprechung sehe ich dennoch als wichtigen Hinweis an uns als Vertreter der gesetzgebenden Gewalt. Wie bei jedem anderen Gesetz, lässt sich seine Qualität erst dann wirklich bewerten, wenn Erfahrungen mit seiner Anwendung gewonnen wurden. Sollte sich in gegebener Zeit herausstellen, dass das, was mit den Instrumenten des Strafrechts gefasst zu werden beabsichtigt war, nicht erfüllt werden kann, ist der Gesetzgeber aufgerufen, eine Korrektur vorzunehmen.

Ich möchte aber hier nicht unerwähnt lassen, dass das Strafrecht nicht allein der Garant für eine „saubere“, eine demokratische und allein gemeinwohlorientierte Politik sein kann. Diverse vorzeitige Mandatsträgerwechsel in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass der Verlust der Legitimation zur Amtsausübung nicht immer einhergehen muss mit strafrechtlich fassbaren Verhalten. Ich will damit sagen, dass es neben dem Strafrecht weitere Kontrollmechanismen, politische Verhaltenskodizes geben muss, um eine politische Kultur zu pflegen, die den berechtigten Erwartungen der Wählerinnen und Wähler entspricht.

Natürlich kann ich das Misstrauen zahlreicher Bürger in die Lobby-Politik-Beziehungen verstehen. Glauben Sie mir, dass es mich als noch relativ „frisch gewählte“ Mandatsträgerin, ganz besonders ärgert, wenn durch das Fehlverhalten Einzelner politische Projekte – wie beispielsweise der BER Flughafen – scheitern und die Vertrauenswürdigkeit der Politik insgesamt beschädigt wird. Die wichtigste Konsequenz, die ich daraus für mich ziehe, heißt: selbst versuchen, immer mein Bestes und damit Beispiel zu geben, dass Politik auch ein sauberes Geschäft sein kann, weil es das sein muss!

Mit freundlichen Grüßen

Svenja Stadler

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