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Sven Lehmann
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Frage von John O. •

Wird es eine Aufarbeitung des Ablaufs beim SBGG geben?

Beim Selbstbestimmungsgesetz wurde schon mit dem ersten Entwurf ein Vorschlag gemacht der wenig Zustimmung fand. Verzögerungen wurden mit Widerstand begründet. Dieser war dabei allerdings schon weit im Vorfeld abzusehen, zumal er von den jeweiligen Gruppen auch angekündigt wurde. Klare Einigkeit der Koalitionsparteien war Berichten zufolge auch gar nicht gegeben. Für Menschen, die auf das Gesetz gehofft hatten, bedeutet der Ablauf bisher in mehreren Punkten eine starke Belastung ohne klare Aussicht auf Ergebnis und Klärung. Wir haben Verfahren vertagt und sind verstärkt Anfeindungen ausgesetzt.
Ob mit oder ohne SBGG, eine Auseinandersetzung mit den Versäumnissen, Versprechen und dem entstandenen Schaden würde ein Signal senden, dass hier zumindest kritisch auf das eigene Agieren geschaut wird. Der Eindruck entsteht, dass das Thema jetzt unter den Teppich gekehrt wird. Gibt es eine strukturierte Auseinandersetzung damit? Sind klare Signale in Zukunft zu erwarten?

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Guten Tag John O.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich kann Ihre Bedenken bezüglich der von Ihnen angesprochenen Aspekte gut nachvollziehen. Wir beschäftigten uns intensiv mit der Kritik und nehmen diese sehr ernst. Bei aller berechtigten Kritik bin ich dennoch in der grundsätzlichen Beurteilung des bisherigen Verfahrens und des Kabinettsbeschlusses anderer Meinung.

Die Bundesregierung hat Ende August den Gesetzentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Der Entwurf der Bundesregierung wird gegenwärtig im Bundestag beraten und die Ampel-Fraktionen verhandeln Änderungen und Verbesserungen am Gesetzentwurf.

Ich hätte mir gewünscht, dass das Selbstbestimmungsgesetz schon längst verabschiedet worden wäre. Allerdings ist das Gesetzgebungsverfahren dazu keineswegs zum Erliegen gekommen: es ist ein gutes Signal, dass die Ampel-Fraktionen sich Zeit nehmen Verbesserungen am Regierungsentwurf gründlich zu beraten. Eine schnelle Verabschiedung im Bundestag in den nächsten Wochen wäre sehr begrüßenswert.

Den Gesetzentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz sowie weitere Hinweise finden Sie auf der Website des Bundesfamilienministeriums: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/gesetz-ueber-die-selbstbestimmung-in-bezug-auf-den-geschlechtseintrag-sbgg--224546

Seien Sie sich versichert, dass ich mir der Dringlichkeit der Reform bewusst bin und intensiv daran arbeite, dass das Selbstbestimmungsgesetz so bald wie möglich im Bundestag verabschiedet wird.

Mir ist darüber hinaus auch sehr bewusst, dass queere Menschen seit einiger Zeit leider verstärkten Anfeindungen und sogar Gewalt ausgesetzt sind. Das beschäftigt mich sehr und ich setze mich in der Bundesregierung und im Bundestag dafür ein, dass sich die Lage bessert:

Um queere Menschen besser zu schützen und zu stärken, hat die Bundesregierung mit dem Aktionsplan „Queer Leben“ im vergangenen Jahr eine Agenda für eine Politik des Respekts und der Anerkennung von Vielfalt beschlossen. Mit dem Kabinettsbeschluss verpflichtet sich die Bundesregierung ressortübergreifend zu einer aktiven Politik für die Akzeptanz und den Schutz von LSBTIQ*, wirkt der Queerfeindlichkeit entschieden entgegen und fördert nachhaltig in allen Bereichen die Akzeptanz von LSBTIQ*.

Zudem wurde im letzten Jahr ‚geschlechtsspezifische‘ und die gegen die ‚sexuelle Orientierung gerichtete‘ Tatmotive in die Strafgesetze zu Hasskriminalität aufgenommen. Alltäglich werden in Deutschland LSBTIQ* angegriffen. Laut offiziellen Zahlen gibt es jeden Tag mindestens drei Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*). Die Dunkelziffer ist deutlich höher.

Diesen Straftaten muss der Staat entschlossen entgegentreten. Die ausdrückliche Aufnahme 'geschlechtsspezifischer' sowie 'gegen die sexuelle Orientierung gerichteter' Motive in den Gesetzestext erhöht bei den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden die Sensibilität für LSBTIQ*-feindliche Taten. Denn was Schwarz auf Weiß im Gesetzestext steht, findet in der Rechtspraxis mehr Beachtung. Die ausdrückliche Erwähnung dieser Beweggründe unterstreicht zudem, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig solche Motive aufzuklären und zu berücksichtigen hat. LSBTIQ*-Feindlichkeit wird so in Gerichtsverfahren eher strafverschärfend einbezogen und damit besser geahndet.

Ich kann Ihnen versichern, dass ich die kritischen Stimmen aus der Community höre und mich auch weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen werde, dass alle Menschen unabhängig von Geschlecht und sexueller Identität selbstbestimmt und frei leben können.

Mit freundlichen Grüßen,

Sven Lehmann

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