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Sven Lehmann
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Frage von Andrea S. •

Werden Sie Stellung beziehen zum Leitfaden des Deutschen Saunabundes bezüglich dem neuen Selbstbestimmungsgesetz ?

Sehr geehrter Herr Lehmann,

werden Sie noch Stellung zum Leitfaden des Deutschen Saunabundes beziehen ? Dort wird meiner Meinung nach aufgrund des SBGG ein Pauschalausschluss von Personen empfohlen die nicht dem geschlechtlichen Leitbild entsprechen. Da Sie maßgeblich an den Vorarbeiten zum neuen Gesetz beteiligt waren halte ich es für angebracht dass Sie Ihre Meinung dazu öffentlich einbringen.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
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Guten Tag Andrea S.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Zunächst einmal möchte ich grundsätzlich vorwegschicken, dass das Selbstbestimmungsgesetz an der bestehenden Rechtslage zum Hausrecht nichts geändert hat. Das Hausrecht findet seine Begrenzung im Antidiskriminierungsrecht. Das „primäre Geschlechtsmerkmal“ ist dabei kein Rechtsbegriff im Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Klar ist: Pauschale Ausschlüsse sind unzulässig. Gleichzeitig vermittelt ein bestimmter Geschlechtseintrag keinen Anspruch auf Zugang zu geschlechtsspezifischen Bereichen. Das gilt auch für cisgeschlechtliche Frauen, sprich auch sie können aus bestimmten Gründen im Einzelfall abgewiesen werden. 

Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung der Vermeidung von Gefahren oder dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt. Diffuse Ängste von objektiv nicht belegbaren Gefahren ohne Bezug zur Lebenswirklichkeit sind dabei keine ausreichende Begründung. Der Betreiber kann jeder Person den Zutritt verwehren, die sich gegenüber den anderen Gästen störend verhält oder gegen die Hausordnung verstößt.

Eine Klärung, was dies im Einzelfall heißt, ist Aufgabe der Rechtsprechung. Bisher gibt es dazu keine Urteile und dies lässt vermuten, dass es hier eher um hypothetische Fälle geht statt um Fälle aus dem Alltag. Denn diese Fälle hätten seit über 10 Jahren vorliegen können, weil sich schon seit 2011 sich trans* Menschen nicht mehr Operationen unterzogen haben müssen, um ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Tatsächlich ist etwa das Betreten einer Frauensauna bei vielen trans* Personen eher angstbesetzt, da sie sich immer fragen müssen, ob das Betreten nach Geschlechtern getrennter Räume wie einer Sauna für sie selbst zum Sicherheitsrisiko werden könnte.

Daher habe ich die Sorge, dass der Leitfaden kontraproduktiv wirkt und Unsicherheit befördert. So wird durch die „Sichtkontrolle“ suggeriert, dass man trans* Personen am Erscheinungsbild erkennen könnte. Es besteht die Gefahr, dass der Leitfaden als Freibrief aufgefasst werden wird, die Körper von Frauen zu beurteilen, und alle Frauen in unangenehme Situationen bringt, die dem Personal an der Kasse oder anderen Anwesenden mit ihrem Erscheinungsbild nicht weiblich genug vorkommen. Unklar ist auch wie der Geschlechtseintrag vorgelegt werden kann, denn im Personalausweis – dem gängigsten Identitätsdokument - ist der Geschlechtseintrag nicht verzeichnet. 

Mit freundlichen Grüßen

Sven Lehmann 

 

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