Was können Sie tun, um Parteien zu verbieten, die die Demokratie abschaffen wollen?
Guten Tag Claudia L.
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Zunächst möchte ich ausdrücken, dass auch ich nach den Wahlergebnissen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg fassungslos war. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat eine rechtsextreme Partei jeweils rund ein Drittel der Stimmen erhalten. Große Sorgen machen ihm die Menschen, die in Sachsen oder Thüringen leben und die sich dem Rechtsruck entgegenstemmen. Die demokratische Zivilgesellschaft, Unternehmen und Kirchen, Queere Menschen, Menschen mit Behinderung, Nicht-Weiße, Muslim*innen oder Jüd*innen.
Die AfD ist eine Partei, die unsere Demokratie zutiefst verachtet. Sie sät Hass und fügt unserem Land und unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung großen Schaden zu. Die Correctiv-Recherche vom Januar dieses Jahres haben gezeigt, dass es bei der AfD nicht nur um eine irgendwie rechte oder rechtspopulistische Partei geht. Die AfD will ein anderes Land, das nicht auf dem Boden unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung steht. Relevante Teile der Partei meinen es tatsächlich ernst mit ihren Umsturzplänen.
Ihre Deportationsfantasien gegen Menschen mit Migrationsgeschichte bedrohen konkret ein Viertel der Bürger*innen unserer Gesellschaft. Als direkt gewähltem Abgeordneten für Köln ist es mir wichtig, zu betonen, was das unter anderem für die Bürger*innen meines Wahlkreises in Köln bedeuten würde: etwa 40 Prozent der Stadtbevölkerung liefe Gefahr, deportiert zu werden. Die Stadt wäre nicht mehr die, die wir kennen und lieben. Wir müssen die Pläne der AfD daher ernst nehmen und uns ihnen entgegenstellen – sie dürfen niemals Wirklichkeit werden.
Unsere Sicherheitsbehörden behalten die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der AfD zu Recht im Blick und haben bislang schon diverse Partei-Gliederungen und Landesverbände als gesichert rechtsextrem eingestuft – bislang wurde auch die Einstufung der AfD-Jugendorganisation durch den Bundesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem gerichtlich bestätigt.
Ein Parteienverbot ist ein Instrument unserer Rechtsordnung, das von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes als wichtiges Werkzeug der wehrhaften Demokratie in die Verfassung aufgenommen wurde. Für Verbotsverfahren gibt es jedoch aus gutem Grund erhebliche verfassungsrechtliche Hürden, weshalb ein Verbotsantrag auf einer soliden rechtlichen Basis stehen muss. Dazu gibt es klare juristische Verfahren, die es zu befolgen gilt. Voraussetzung für einen Verbotsantrag gegen die AfD sollte ebenso sein, dass ein solches Verfahren juristisch Aussicht auf Erfolg hat. Dazu muss unseren Verfassungsschützenden ausreichend Beweismaterial vorliegen. Deswegen ist es so wichtig, dass unsere Verfassungsorgane ständig die Argumente des Für und Wider eines Verbots und die Beweislage sorgfältig abwägen und die demokratischen Parteien gerade vor dem Hintergrund unserer historischen Erfahrung alles tun, um sich den antidemokratischen Bestrebungen der AfD entgegenzustellen.
Gleichzeitig ist es an uns als überzeugte Demokrat*innen, den menschenfeindlichen Positionen der AfD Widerstand zu leisten und ihr den Nährboden zu entziehen. Dabei müssen alle demokratischen Parteien noch deutlicher auf die Zivilgesellschaft zugehen, ihre Sorgen und Nöte ernst nehmen, ihrer Arbeit den Rücken stärken. Denn auf sie kommt es jetzt an, ob das Gift des Nationalismus und der Spalterei sich weiter breit macht. Oder ob dem ein respektvolles, gleichberechtigtes Miteinander entgegengesetzt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Lehmann