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Sven Lehmann
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Frage von Bertram W. •

Muss die Anzahl der Vornamen bei der Änderung des Geschlechtseintrages beibehalten werden?

Ich bin non-binär. Was ändert sich, wenn ich divers eintragen lasse versus keine Geschlechtseintrag?

Kann ich mit einem geänderten Pass/Personalausweis Probleme bei der Einreise in ein anderes Land bekommen?

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Antwort von
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Guten Tag Bertram W., 

vielen Dank für Ihre Anfrage. 

Bezüglich Ihrer ersten Frage: 

Laut Selbstbestimmungsgesetz hat eine Person mit ihrer Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags die Vornamen zu bestimmen, die sie zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen. In der Begründung des Gesetzentwurfs (S. BT-Drs. 20/9049, S. 36) wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass insoweit dieselben Regeln gelten, die für die Vornamensbestimmung bei Geburt gelten. Des Weiteren wurde in der Beschlussempfehlung zu § 2 Absatz 3 SBGG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es für die Änderung der Vornamen bei Änderung des Geschlechtseintrags nach den Vorschriften des SBGG nicht auf die Voraussetzungen der §§ 3 und 11 des Namenänderungsgesetzes ankommt (s. BT-Drs. 20/11004, S. 34).

Darüber hinaus sind die Bundesländer auf Grund der föderalen Grundordnung für die Ausführung des Selbstbestimmungsgesetzes zuständig. Die Standesämter sind nach Landesrecht die für das Personenstandswesen zuständigen Behörden. Sie beurkunden den Personenstand und die Vornamen einer Person auf Grundlage der geltenden Gesetze. Bei der Rechtsanwendung und Rechtsauslegung ist die Verwaltung grundsätzlich fachlich unabhängig und eigenverantwortlich. 

Es ist richtig, dass es ein Schreiben des Bundesinnenministeriums gab, in dem es auf Fragen aus den Standesämtern zur Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes einging und seine damalige Gesetzesauslegung zur Frage der Anzahl der Vornamen darstellte. Dieses Schreiben war keine Anordnung, sondern beinhaltete unverbindliche Auslegungshinweise des BMI.

Unabhängig davon hat das BMI inzwischen ein korrigierendes Ergänzungsschreiben zur Auslegung des § 2 Abs. 3 SBGG versendet, das auch mit den beiden federführenden Ressorts BMFSFJ und BMJ abgestimmt ist. Darin kommt das BMI zu der neuen Auffassung:

"Für die Bestimmung der Vornamen nach § 2 Abs. 3 SВGG sind die für die Anzahl der Vornamen allgemein gültigen Grundsätze anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.01.2004-1 BvR 994/98 = StAZ 2004, 108f.; OLG Düsseldorf StАZ 1998, 343; OLG Köln StAZ 1998, 82). Dies bedeutet eine Höchstgrenze von maximal fünf Vornamen. Innerhalb dieses Rahmens kann die Anzahl der Vornamen im Zuge der Erklärung nach § 2 SBGG verändert (d. h. erhöht oder verringert) werden." Auch in diesem Schreiben wird betont, dass es sich bei diesem Hinweis nicht um rechtsverbindliche Empfehlungen für die Rechtsanwendung handelt und die Auslegung der Bestimmungen des SВGG im Einzelfall wird letztlich von der Rechtsprechung zu klären sein.

Bezüglich Ihrer zweiten Frage:

Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben dahingehend, welche Vornamen „dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen“. Das SBGG selbst statuiert als generelles Ziel, dass „die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen“ gelöst werden soll „und die Selbstbestimmung der betroffenen Personen“ gestärkt werden soll. 

Der Gesetzgeber lässt erkennen, dass im Falle einer Änderung des Geschlechtseintrags zu „divers“ oder der Streichung eines Geschlechtseintrags keine Bedenken gegen die Wahl eines Vornamens bestehen, der sich einem binären Geschlecht nicht zuordnen lässt, oder mehrerer Vornamen, von denen einzelne dem einen und die anderen dem anderen Geschlecht entsprechen. Männliche, weibliche und beiden Geschlechtern zuordenbare Vornamen sowie jede beliebige Kombination ist hier möglich. Dies hat auch das BMI zuletzt in einem Schreiben an die Standesämter dargelegt. 

Wird die Eintragung des gewählten Vornamens abgelehnt, besteht gemäß § 49 Absatz 1 PStG die Möglichkeit eines Antrags an das zuständige Gericht, das das Standesamt anweisen kann, den gewählten Vornamen einzutragen.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten:

Die Wahl zusätzlicher Vornamen sowie der Verzicht auf Vornamen bei einer Vornamensänderung im Zusammenhang mit einer Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags nach § 2 SBGG ist möglich. Das SBGG enthält dahingehend keine Beschränkungen. Wie viele Vornamen hinzugefügt (oder gestrichen) werden können ist final durch die Rechtsprechung zu entscheiden. In der Rechtsprechung für die Vornamenswahl bei Geburt eines Kindes wurden bisher fünf Vornamen noch für zulässig erachtet.

Bezüglich Ihrer dritten Frage: 

Sie haben recht, Personen mit keinem oder einem diversen Geschlechtsantrag könnten bei der Einreise in andere Länder in Probleme geraten.

Derzeit gibt es eine Regelung, die es intergeschlechtlichen Personen erlaubt, einen zusätzlichen Reisepass mit einem binären Geschlechtseintrag („M“ oder „F“) zu erhalten. Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) legt fest, dass in Fällen, in denen das Geschlecht nicht mit „weiblich“ oder „männlich“ angegeben ist, der Pass das Geschlecht mit „X“ ausweist. Auf Antrag kann jedoch ein Pass mit der Angabe „männlich“ oder „weiblich“ ausgestellt werden, wenn eine Variante der Geschlechtsentwicklung durch eine ärztliche Bescheinigung vorliegt.

Für nicht-binäre Personen bedeutet das, dass ein binärer Geschlechtseintrag im Reisepass aktuell unter der Voraussetzung einer ärztlichen Bescheinigung möglich ist, die eine entsprechende Variante der Geschlechtsentwicklung bestätigt.

Als Grüne haben wir uns im Rahmen der SBGG-Verhandlungen für eine diskriminierungsfreie Möglichkeit eingesetzt, einen alternativen Geschlechtseintrag im Reisepass zu wählen. Deshalb wäre für uns Grüne eine weitergehende Regelung, als sie im Selbstbestimmungsgesetz vorliegt, wünschenswert gewesen. 

Auf unseren Druck hin konnte zumindest die Möglichkeit mit der Vorlage eines wie zuvor beschriebenen Attests analog zur früheren Regelung im §45b PStG in das SBGG Einzug halten, damit nichtbinäre Personen nicht an internationalen Flughäfen vor den von Ihnen beschriebenen Herausforderungen stehen und in Ihren beruflichen und privaten Reisemöglichkeiten eingeschränkt werden. Ohne diesen Druck wäre die Regelung zur Möglichkeit eines binären Geschlechtseintrag im Reisepass für Menschen mit Geschlechtseintrag “divers” oder ohne Geschlechtseintrag völlig entfallen.

Dass es für eine weitergehende Regelung keine Mehrheit gab, finden wir ebenfalls bedauerlich. Als Grüne sind wir für weitergehende Regelungen, die die Perspektiven und Bedürfnisse nicht-binärer Menschen stärken, weiterhin offen und setzen uns für diese ein.

Ich habe darauf hingewiesen, dass es das Ziel des Selbstbestimmungsgesetzes ist, eine selbstbestimmte Korrektur des Geschlechtseintrags und der Vornamen zur Wahrung der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität für trans*, inter* und nichtbinäre Menschen zu ermöglichen. Die Änderung des Geschlechtseintrags soll mit der Wahl eines selbstgegebenen identifikationsstiftenden Namens einhergehen. Ich begrüße daher die eine weite Auslegung des Gesetzestextes. Es ist wichtig, dass jede Person, die ihren Geschlechtseintrag ändert, den oder die Vornamen, die aus ihrer Sicht am besten zu ihr passen, bestimmen kann. Die Umsetzung des Gesetzes muss diesen Grundgedanken entsprechen und der Zugang niedrigschwellig möglich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Sven Lehmann

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