Kann man unionsrechtlich widersprechen, dass personenbezogene Gesundheitsdaten, z. B. genetische, psychiatrische Daten etc., nicht in e-Patientenakten von leiblichen Verwandten verarbeitet werden?
Ist und, wenn ja, wie ist unter dem unionalen Primat der Datenminimierung und des Transparenzgebots (nach Art. 13, 14 DSGVO in einfacher, präziser, verständlicher Sprache, leicht zugänglich & transparent im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH) ein Widerspruch gegen die Verarbeitung personenbezogener, auf die eigene Person beziehbarer Gesundheitsdaten von Dritten, namentlich von leiblichen Verwandten, im Falle der mit höherschwelliger Widerspruchslösung einfachgesetzlich forcierten e-Patientenakte (https://tinyurl.com/24rkrf3b) möglich? Kann man widersprechen, dass auch dort z. B. genetische oder psychiatrische Daten nicht gespeichert und verarbeitet werden? "Damit personenbezogene Daten als Gesundheitsdaten im Sinne von [...] Art. 9 Abs. 1 DSGVO eingestuft werden können, genügt folglich, dass aus diesen Daten mittels gedanklicher Kombination oder Ableitung auf den Gesundheitszustand der betroffenen Person geschlossen werden kann." Urteil des EuGH vom 4.10.24 C‑21/23, Rn. 83.
Guten Tag Felix H.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Zunächst ist es grundsätzlich möglich jeder Eintragung in die elektronischen Patientenakte zu widersprechen oder Information aus der ePA wieder zu löschen. Ist ein Vertreter oder eine Vertreterin für die jeweilige ePA hinterlegt und eingerichtet, kann dies auch durch die vertretungsberechtigten Personen erfolgen. Bei besonders sensiblen Diagnosen wie sexuellen Infektionen, psychischen Erkrankungen oder Schwangerschaftsabbrüchen, sind Ärzt*innen gesetzlich explizit dazu verpflichtet über diese Möglichkeiten aufzuklären. Genetische Daten dürfen darüber hinaus nur nach expliziter Einwilligung des Patienten in die ePA eingetragen werden. Ein zusätzlicher Widerspruch ist hier also nicht notwendig.
Das Fehlen von gesundheitlichen Informationen kann darüber hinaus jedoch zu negativen Konsequenzen für weiterführende Behandlungen führen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Gesundheitsrisiken dadurch nicht erkannt und damit Gründe für Gesundheitsbeschwerden nicht gefunden werden können. Ebenso können wichtige Daten und Erkenntnisse zu diesen Erkrankungen dann nicht in die Forschung einfließen. Daher gibt es auch die Möglichkeit, die Sichtbarkeit von Informationen so zu beschränken, dass sie nur für die Versicherten selbst zu sehen sind, nicht jedoch für Ärzt*innen und andere Gesundheitsberufe. Auch dies kann durch die vertretungsberechtigten Personen entsprechend eingestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Lehmann