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Sven Lehmann
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Frage von F. H. •

Frage an Sven Lehmann von F. H. bezüglich Familie

Sehr geehrte Herr Lehmann,

wie stehen Sie zum Thema Trennung/Scheidung sowie zu gleichberechtigter Elternschaft?
Wie wollen Sie die Europarat-Resolution 2079/15 umsetzen, die sich an alle authorities richtet und einen breiten Forschungsstand auswertet? Werden Sie für Doppelresidenz eintreten? Sehen Sie Bezüge zu Art. 7.1 UN-Kinderrechtskonvention?
Unterstützen Sie auch das nicht-konsensuale Doppelresidenzmodell oder soll v.a. das Residenzmodell nicht-konsensual erzwingbar sein? Mediation ist nach § 156 FamFG mit Zwangsmitteln nicht erzwingbar. Das Familienrecht ist streitwertorientiert. Z.B. ist weder im GKG noch in der ZPO Mediation in der PKH vorgesehen. Soll es so bleiben? Wie kann die Politik -neben BGH- Rahmenbedingungen schaffen und nach Vorbild Schwedens etc. die Resolution umsetzen? Soll für Kinder in EUropa die Chance auf beide Eltern von Staatsangehörigkeit abhängen?
Es stellt sich die Frage, ob Doppelresidenz, wie manche behaupten, etw. für Besserverdienende sei? Soll die Einkommensstärke eine Rolle spielen? Wie wollen Sie Umverteilungskämpfe auf dem Rücken der Kinder vermeiden? Ist die Eingruppierung in Singles/Alleinerziehende adäquat? Hat ein 20-j. Single in einer WG ähnliche Belastungen wie ein/e getrennt erziehende/r Vater /Mutter, der/die den vollen Kindesunterhalt zahlt u. Ausgaben für das Kind während des "Umgangs" hat? Brauchen Singles Kinderzimmer? Wie viele Getrennterziehende gibt es in Deutschland?
In Köln wird im Jugendamt "nach anderen Handlungsempfehlungen" gearbeitet, die Leitbilder des ASD sind aus 2003, die Eckpfeiler aus 2000. Wo gibt‘s Reformbedarf?
Wie bewerten Sie das Ziel der Petra-Studie zu Kindeswohl & Umgangsrecht im Lichte des Forschungsstandes? Gibt es Anhaltspunkte, dass das Kindeswohl dt. Kinder sich von dem schwedischer & anderer Kinder signifikant unterscheidet? Sind Unterschiede zw. Berlin, Hessen und Köln kleiner oder größer als zw. Deutschland und Schweden? Ist Kindeswohl national?

Freundliche Grüße

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ich vertrete die Position, dass Kinder grundsätzlich ein Recht auf beide Eltern haben. Davon ist nur in kindeswohlgefährdenden Ausnahmefällen abzusehen. Im Kern muss es daher darum gehen, auch bei Trennung und Scheidung beide Eltern zu befähigen, ihre Elternrolle zum Wohle des Kindes wahrzunehmen. Familienunterstützende Dienste und Beratungseinrichtungen können hier gute Unterstützung leisten.

Zu dieser Frage gab es auch vor kurzem eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welches die Rechte von Eltern gestärkt hat und das wir GRÜNE ausdrücklich begrüßen. In diesem Artikel wird es kurz und klar beschrieben:

www.zeit.de/gesellschaft/familie/2014-11/sorgerecht-verfassungsgericht

In der letzten Wahlperiode hat die Grüne Bundestagsfraktion in einem Antrag ihre Vorstellungen für ein Gemeinsames elterliches Sorgerecht für nicht miteinander verheiratete Eltern formuliert, um so die Benachteiligung von Vätern von nicht miteinander verheirateten Paaren zu beenden:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/032/1703219.pdf

Dass sich Mutter und Vater im Scheidungsverfahren über die elterliche Sorge streiten, soll nicht ausreichen, das Sorgerecht – mit Konsequenzen für die Unterhaltsverpflichtungen – nur einem Elternteil zuzuteilen. Entscheidend ist, ob sich die Differenzen der Eltern negativ auf das Kind auswirken. Es gibt Kinder, die gut mit den andauernden Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Vater umgehen können. Andere hingegen leiden stark darunter, was sich in verschiedensten Formen manifestieren kann. In einem solchen Fall muss man ernsthaft prüfen, ob das Sorgerecht einem Elternteil allein zustehen soll. Und grundsätzlich stellt sich die Frage, welche Bedeutung die gemeinsame elterliche Sorge überhaupt noch haben kann, wenn die Eltern nicht miteinander über die Kinderbelange sprechen können oder sich nie einig werden.

Das geltende Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass bei getrennten Paaren ein Elternteil die Betreuung übernimmt und der andere Elternteil die dafür notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellt (Barunterhalt). Für Fälle, in denen die getrennten Paare sich die Betreuung jeweils zur Hälfte teilen (sog. Wechselmodell), sind beide Elternteile nach ihren jeweiligen Erwerbseinkünften gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig. In diesen Fällen werden die zusätzlichen Mehrkosten hinzugerechnet. Unabhängig von den verfahrenstechnischen Problemen werden beim Wechselmodell die Eltern unterhaltsrechtlich aus finanzieller Sicht gleichberechtigt berücksichtigt.

Probleme bereitet die aktuelle Gesetzeslage in den Fällen, in denen der getrennt lebende Elternteil mehr als das übliche Maß an Umgang und Betreuung übernimmt, aber keine hälftige Betreuung übernehmen kann. Z.B. wenn er 1/3 oder sogar 40 % der Betreuung übernimmt, aber eben nicht 50%. In diesen Fällen wird der Unterhaltsanspruch für das Kind, das seinen Lebensmittelpunkt bei dem anderen Elternteil hat, alleine nach dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils bestimmt. Im Rahmen seiner Unterhaltspflicht können lediglich Kosten für Kleidung und Verpflegung (die über das übliche Maß hinausgehen) berücksichtigt werden und zu einer Reduzierung der Unterhaltspflicht führen. Die anfallenden Kosten für ein zusätzliches Kinderzimmer können vom unterhaltspflichtigen Elternteil nicht geltend machen. Bei diesen Berechnungen spielt es keine Rolle, ob der betreuende Elternteil ein eigenes Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit erzielt, solange er oder sie die Betreuung nicht vollständig Dritten überlässt.

Lediglich in Ausnahmefällen kann der betreuende Elternteil in diesen Fällen zum Barunterhalt herangezogen werden. Das betrifft Fälle in denen der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht leistungsfähig ist oder er oder sie unter seinem oder ihrem angemessenen Selbstbehalt liegt und der betreuende Elternteil wesentliche mehr Einkommen zur Verfügung hat. Es muss ein sogenanntes krasses Missverhältnis vorliegen.

Dass das in Fällen der Betreuungsübernahme von z.B. 1/3 zu einer einseitigen Belastung des Barunterhaltspflichtigen führt, bedarf der Überprüfung. Der Gesetzgeber muss hier prüfen, wie und ob eine gesetzliche Änderung vorgenommen werden muss. Deshalb haben wir mit großem Interesse die vom Europarat in seiner Sitzung am 02. Oktober 2015 verabschiedete Resolution zur Stärkung der Rolle von Trennungsvätern und zur Beseitigung bestehender Diskriminierungen im Familienrecht zur Kenntnis genommen und analysieren, welcher Umsetzungsauftrag sich für Deutschland daraus ergibt.

Allerdings sind die Grünen als Oppositionsfraktion im Bundestag bisher nur begrenzt in der Lage, dieses Thema auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages und des zuständigen Rechtsausschusses zu bringen. Dennoch sind wir seit Anfang der Legislaturperiode mit Vertreterinnen und Vertreter anderer Fraktionen im Gespräch und fordern die Weiterentwicklung des Familienrechts sowie dessen Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel.

Mit freundlichen Grüßen

Sven Lehmann

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