Frage an Stephan Stracke von Horst L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Stracke,
der wissenschaftliche Dienst des Bundestages warnt in seinem Gutachten vom Februar d.J. das Parlament, dem von der Regierung geplanten Euro-Rettungsschirm zuzustimmen. So wie er geplant sei riskiert der Bundestag die Geldwertstabilität und einen Verfassungsbruch. "Durch die Übernahme einer Bürgschaft wird ein Verfahren in Gang gesetzt, an dessen Ende die Pflicht zur Zahlung sehr hoher Summen stehen kann, ohne daß das Parlament entscheidenden Einfluß nehmen kann", so die Juristen des Dienstes. Die Bundesregierung hat die Absicht, beim Euro-Rettungsschirm für bis zu 168 Mrd. Euro zu bürgen. Dazu kommen 22 Mrd. Euro aus deutschen Steuergeldern hinzu, über die der Bundestag bereits entschieden hat. Das ergibt eine Gesamtbelastung von 190 Mrd. Euro. Dieses entspricht fast zwei Dritteln der Steuereinnahmen des Bundes. Weiter: "Sollten die Bürgschaften greifen, würde einem künftigen Haushaltsgesetzgeber ein Verfassungsbruch quasi aufgezwungen. ... Bei der Einlösung der Zahlungspflicht käme der Haushaltsgesetzgeber nicht umhin, gegen die Schuldenbremse zu verstoßen". Auch der Bundes- rechnungshof mahnt: "Alle Festlegungen zur Art und Höhe der deutschen Beiträge zum Euro-Rettungsschirm unterliegen der parlamentarischen Zustimmungserfordernis". Meine Frage an Sie als meinem Stimmkreis-/Bundestagsabgeordneten lautet: Wie werden Sie sich entscheiden? Stimmen Sie einem offensichtlichen Verfassungsbruch zu oder sorgen Sie mit Ihrer Stimme und Ihrem parlamentarischen Einsatz dafür, daß Schaden von unserem Land, unserer verfaßten Demokratie und letztlich auch von unseren nachgeborenen KIndern und Enkel abgewendet wird? In Erwartung Ihrer Antwort
mit freundlichen Grüßen
Horst Lehner
Sehr geehrter Herr Lehner,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail vom 7. Mai dieses Jahres zum Thema "Euro-Rettungsschirm".
Nach wochenlangen Beratungen haben die Finanzminister der Eurozone den Vertragstext des geplanten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in der vergangenen Woche konkretisiert. Voraussichtlich im Herbst wird der Deutsche Bundestag darüber abstimmen. Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich bis zur Übermittlung des endgültigen Vertragstextes und dem Abschluss der Beratungen im Deutschen Bundestag zu meinem Abstimmungsverhalten nicht abschließend Stellung nehmen kann.
Ich teile jedoch Ihre Bedenken zur Einhaltung des parlamentarischen Budgetrechts. Es gilt für mich der Grundsatz, dass alle Entscheidungen und Vereinbarungen mit finanzieller Auswirkung der Zustimmung des Deutschen Bundestages bedürfen. Insofern kann im Vorgriff auf die Errichtung des ESM der am 10. Juni 2011 im Deutschen Bundestag angenommene Entschließungsantrag zu Griechenland als Erfolg gewertet werden. Darin stellen die Parlamentarier fest, dass die Bundesregierung in allen budgetrelevanten Fragen die Zustimmung des Bundestages einholen muss. In den anstehenden Beratungen ist auch die Handhabung der sogenannten Schuldenbremse kritisch zu beleuchten.
Seien Sie versichert, dass ich meine Entscheidung in dieser höchst bedeutsamen Angelegenheit mit Besonnenheit und dem erforderlichen Weitblick treffen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Stracke MdB