Frage an Stephan Harbarth von Jan P. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Dr. Harbarth,
mit Verwunderung mußte ich lesen, daß die Regierungsfraktionen im Moment keine Notwendigkeit sehen, Verbraucher vor überhöhten Gebühren für sogenannte "Servicehotlines" zu schützen. In so ziemlich allen Wirtschaftsbereichen, die ich mir vorstellen kann, wird man für das Warten auf eine Leistung nicht zur Kasse gebeten. Wenn ich im Kino auf die Vorstellung warte, wenn ich beim Arzt im Wartezimmer sitze, wenn ich an der Supermarktkasse anstehe, wenn ich an der Haltestelle auf den Bus warte - außer Zeit kostet mich das alles nichts.
Warum denken Sie persönlich, daß es wünschenswert ist, Callcenter hier völlig anders zu behandeln und ihnen weiterhin zu erlauben, Geld zu verlangen, ohne eine Gegenleistung zu erbringen?
Mit freundlichen Grüßen,
Jan Pluntke
Leimen
Sehr geehrter Herr Pluntke,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht über Abgeordnetenwatch. Sie fragen, warum die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen einen Antrag der Grünen zum Thema „kostenfreie Warteschleifen bei telefonischen Dienstleistungen“ im Deutschen Bundestag gestimmt hat.
Diese Frage ist verständlich, denn schließlich hat die Union bereits in den Koalitionsvereinbarungen mit der FDP beschlossen, die Kostenverteilung bei Warteschleifen im Telefonverkehr zu überprüfen. Das Problem ist ja seit längerem bekannt und es zeichnet sich ab, dass es leider nicht zu freiwilligen Lösungen der Wirtschaft kommt, die sicherstellen, dass Warteschleifen nicht allein auf Kosten der Anrufenden gehen. Der Prüfauftrag des Koalitionsvertrags ist deshalb zügig in die Wege geleitet worden. Zurzeit verhandeln die Bundesverbraucherministerin und der Bundeswirtschaftsminister über die Ausgestaltung eines neuen Telekommunikationsgesetzes, in dem sowohl die Frage der Kosten der Warteschleifen geregelt werden soll wie auch zum Beispiel die Frage der Preisangabe bei Call-by-Call-Anrufen. Darüber hinaus wird es in dem Gesetz um verbesserte Rahmenbedingungen für den Breitbandausbau, um die technikneutrale Ausgestaltung von Frequenzen und die Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit im Interesse der Verbraucher gehen. Es ist sinnvoller, das gesamte Paket zusammenhängend zu beraten und zu verabschieden, als jetzt einen einzelnen Punkt herauszugreifen. Deshalb haben die Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der FDP den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Es ist ein völlig normaler Vorgang, dass Oppositionsfraktionen im Vorfeld von Gesetzesvorhaben der jeweiligen Bundesregierung eigene Anträge stellen, wenn es zu einem Thema wenig Dissens hinsichtlich des Problemlösungsbedarfs gibt. In einzelnen Detailpunkten differieren die Anträge dann von dem Regierungsvorhaben oder sie fordern eine schnelle Entscheidung über Maßnahmen, die noch in der Prüfung sind und bei denen noch nicht alle Fragen abgeklärt sind. In jeder Sitzungswoche gibt es solche Anträge zu in Arbeit befindlichen Gesetzesvorhaben. Ungewöhnlich an dieser Sache war aber, dass kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die Tagesschau sich einen solchen Oppositionsantrag herausgegriffen und darüber berichtet hat. Über die Intention kann man nur mutmaßen. Am nächsten Tag wurde in der Nachrichtensendung klar gestellt, dass das Bundesverbraucherministerium und das Bundeswirtschaftsministerium bereits an einem Gesetzesentwurf arbeiten. Nur hat diese Klarstellung natürlich nicht mehr jeder Zuschauer, der die erste Nachrichtensendung gesehen hat, mitbekommen.
Letztlich ist es bedauerlich, dass es hier zu Irritationen und Missverständnissen gekommen ist. Ich kann Ihnen nur versichern, dass Verbraucherschutz für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein wichtiges Politikfeld ist, das wir sowohl in unserer Programmatik in den letzten Jahren sehr stark entwickelt haben als auch durch die Politik der unionsgeführten Bundesregierung konkret ausfüllen. Gerade im Bereich des Verbraucherschutzes bei Telefondienstleistungen wurde schon Etliches geregelt. So sind z. B. unerbetene Werbeanrufe untersagt und mit Strafen bis zu 50.000 Euro belegt worden. Auch sind bereits in der letzten Legislaturperiode bei etlichen Mehrwertdiensten und beim Herunterladen von Klingeltönen und Logos die Pflichten zur Preisangabe in der Werbung und bei der Nutzung der Dienste ausgeweitet worden. Seit dem 1. März 2010 sind die Gebühren bei 0180-Nummern erstmals auch für Anrufe aus dem Mobilfunknetz gedeckelt. Im Festnetz gelten ja schon seit längerem Preisobergrenzen wie ebenfalls auch bei den Roaming-Gebühren bei Reisen ins europäische Ausland.
Ich hoffe, dass sich ähnliche Fortschritte auch in dem von Ihnen angesprochenen Fragenbereich alsbald verzeichnen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Harbarth
Sehr geehrter Herr Pluntke,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 7. Mai 2010.
Ich kann Ihre Irritation gut nachvollziehen. Die Berichterstattung, auf die Sie sich beziehen, war in der Tat etwas verwirrend und ließ den Eindruck entstehen, die christlich-liberale Koalition lege auf Verbraucherschutz keinen Wert. Ich darf Ihnen aber versichern: Das Gegenteil ist der Fall!
Wir haben den Antrag nicht deshalb abgelehnt, weil wir dessen Ziel ablehnen würden. Wir haben den Antrag abgelehnt, weil er nur einen Teilbereich des Verbraucherschutzes im Telekommunikationsbereich zum Gegenstand hatte und uns nicht weit genug ging.
Auch die christlich-liberale Koalition will konkrete Verbesserungen in diesem Bereich erreichen. Wir werden sie in der anstehenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes umsetzen. Die Warteschleifen-Problematik ist dabei nur ein Teil unseres Maßnahmenpaketes. Die kostenlosen Warteschleifen sind nicht das einzige Thema, das im Rahmen des Verbraucherschutzes und der Telekommunikation aufgegriffen werden muss. Ende November 2009 ist auf EU-Ebene das sogenannte Telekommunikations-Paket beschlossen worden, mit dem fünf Richtlinien im Telekommunikationsbereich modernisiert worden sind. Das Paket muss bis März 2011 in nationales Recht umgesetzt werden.
Für die Verbraucherpolitiker der Union ist ganz klar: Endlose und überteuerte Anrufe mit kostenpflichtigen Rufnummern, bei denen man schon vor dem eigentlichen Kontakt mit einem Mitarbeiter für Musik oder Bandansagen bezahlt, sind für den Verbraucher ärgerlich und teuer zugleich. Natürlich muss man bei Anrufen auch mit Wartezeiten rechnen, weil nicht immer genügend Mitarbeiter für die Kunden jederzeit da sein können. Aber dass der Verbraucher hierfür noch zahlen soll, das ist Abzocke. Mit Gebühren über die Service-Hotline Gewinn zu machen ist dabei leider allzu oft ein Geschäftsmodel von Anbietern. Servicenummern dürfen etwas kosten, aber erst dann, wenn dem Kunden auch wirklich geholfen wird.
Wir unterstützen deshalb das Anliegen von Bundesverbraucherschutzministerin Aigner, die unterschiedliche Handhabung der Kostenverteilung von Warteschleifen im Telefonverkehr zu hinterfragen und gegebenenfalls gesetzlich nachzubessern. Unser Ziel ist klar: Der Kunde sollte erst von dem Moment an zahlen, in dem er tatsächlich eine Gegenleistung erhält. Darüber hinaus wollen wir aber auch noch die Preisansagepflicht bei call by call Anrufen oder die Erweiterung des Widerrufsrechtes bei Mobilfunkverträgen. Nur so können wir den Verbraucher wirksam vor dem Schutz vor der Abrechnung von Internetkostenfallen über die Handyrechnung schützen.
Ich hoffe, ich konnte entstandene Missverständnisse aufklären, und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Stephan Harbarth