Frage an Stefan Wenzel von Lukas L. bezüglich Bildung und Erziehung
Wie stehen sie zum Ziel nur noch integrierte Gesamtschulen einzuführen?
Mit freundlichen Grüßen
Lukas Lehmkuhl
Heute müssen in Niedersachsen mehr als 8 Prozent der Kinder die Schulen ohne Schulabschluss verlassen. Das halte ich für einen Skandal, weil diese Kinder in der Regel keine Lehrstelle finden und auch keinen vernünftigen Job. Auch die Zahl der Jugendlichen, die ein Abitur erreichen ist viel zu gering. Deshalb wollen wir den Schulen bessere Leistung abverlangen. Wir haben ein Konzept für die „Neue Schule“ entwickelt, die sich am finnischen Schulmodell orientiert und auch Ideen von den besten integrierten Gesamtschulen aufnimmt. Hier sollen die Kinder neun Jahre gemeinsam unterrichtet werden und dann entscheiden, ob sie auf eine gymnasiale Oberstufe gehen, eine Berufsausbildung machen oder eine Produktionsschule mit starkem Praxisbezug besuchen. Die neuen Schulen sollen mehr Eigenverantwortung übernehmen und können daher ihr individuelles Schulprogramm mit Eltern, Lehrern und Schülern im Schulvorstand gestalten. Diese Schulen werden daher sehr unterschiedliche Stärken und Profile entwickeln. Die neue Schule wollen wir zuerst dort einführen, wo Stadt- und Gemeinderäte als Schulträger das Modell unterstützen. Allen anderen Schulen werden wir höhere Qualitätsstandards abverlangen. Das heißt insbesondere: Individuelle Förderung statt Sitzen bleiben, keine Abschulung. Die Schule, die ein Kind aufnimmt, muss auch bis zum Schulabschluss Verantwortung für dieses Kind übernehmen.
Gute Bildung und Ausbildung ist eine ganz zentrale Frage sozialer Gerechtigkeit. Heute gibt es bei uns leider oft keine Chancengleichheit. Im Gegenteil: Die PISA-Studien zeigen einen großen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und den Bildungschancen der Kinder. Das kann sich ein modernes Industrieland überhaupt nicht leisten. Wer mehr als 8 Prozent der Kinder ohne Ausbildung in die Welt schickt, der verfestigt sehr bittere Armutskarrieren. Auch vor dem Hintergrund des Mangels an gut ausgebildeten Fachkräften und Ingenieuren würden wir eine große Dummheit begehen, wenn wir nicht endlich für eine bessere Schulausbildung in Niedersachsen sorgen. Die frühe Trennung der Schülerinnen und Schüler auf derzeit fünf Schulformen: Förderschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien oder Gesamtschulen ist ein wichtiger Grund für die schlechten Leistungen unseres Bildungsystems. Es ist aber nicht der einzige Grund. Wir brauchen auch eine viel bessere Zusammenarbeit zwischen Kindergärten, Grundschulen, weiterführenden Schulen, Hochschulen und Unternehmen. Wir brauchen eine Vernetzung zwischen Jugendhilfe und Bildungseinrichtungen. Wir brauchen eine stärkere Einbindung der Eltern. Weil es auch hier gewaltiges Potential für Verbesserungen gibt, habe ich mich für das Projekt „Bildungsregion Göttingen“ engagiert. www.bildungsregion-goettingen.de
Und noch eins ist mir wichtig: Schule muss Spass machen! Kinder müssen ermutigt werden! Kinder müssen teilhaben und Schulprojekte machen, die ganz real ihre Lebensumwelt verändern: Schulbauernhöfe gestalten, Dorfzeitungen schreiben, Einkaufshilfen für Nachbarn organisieren, Schulwege sicher machen. Kinder können so viel. Kinder haben so großes Engagement und ein so gutes Gespür für Gerechtigkeit. Geben wir ihnen den Raum zur Entfaltung und nutzen wir ihre Kraft und Energie. Es wird dieser Gesellschaft gut tun!
Stefan Wenzel