Frage an Stefan Evers von Lora R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Da es im Rahmen der Stadtentwicklung immer wieder um Partizipationsverfahren geht, würde ich gerne wissen, wie Sie dazu stehen. Wie finden Sie einer stärkere Mitsprache von Bürgerinnen und Bürgern? Wie finden Sie die Ergebnisse aus dem Leitlinienprozess für Partizipation?
Sehr geehrte Frau R.,
vielen Dank für Ihre Frage!
Seitdem ich mich politisch auf dem Gebiet Stadtentwicklung engagiere, habe ich für eine neue Beteiligungskultur in Berlin geworben, die Maßstäbe in Sachen Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz politischer Entscheidungsprozesse setzt.
Der Abgeordnetenhaus-Beschluss „Berlin zum Mitmachen“, die Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik, der Beschluss der CDU-Fraktion mit dem Ziel der Schaffung eines „Berlin-Forums“ zur Klärung der grundlegenden Fragen zu gesamtstädtisch wirksamen Entwicklungsstrategien und Projekten der Stadtentwicklung sind hierbei nur einige Meilensteine. Auf Bundesebene setze ich mich seit Jahren für die eine verpflichtende frühzeitige Bürgerbeteiligung in Bebauungsplanverfahren ein.
Es ist meine Überzeugung, dass Transparenz und eine nachvollziehbar ausgestaltete frühzeitige Bürgerbeteiligung in Planungsverfahren dabei hilft, Konflikte zu lösen, das Risiko langwieriger juristischer Auseinandersetzungen zu verringern, gesellschaftliche Akzeptanz, politische Legitimität und nicht zuletzt die Qualität von Planungsentscheidungen zu erhöhen bzw. zu verbessern.
Die wichtigsten Grundsätze bzw. Gelingensvoraussetzungen sind dabei in meinen Augen:
- Der Beteiligungszeitraum muss klar festgelegt sein.
- Der Entscheidungsspielraum muss jedem Beteiligten klar sein.
- Die für die Entscheidung relevanten Informationen müssen jedem Interessierten unkompliziert zugänglich sein.
- Die demokratisch legitimierten Entscheidungsträger müssen für jeden identifizierbar, persönlich anwesend und als solche akzeptiert sein.
- Die für die Umsetzung verantwortlichen Verwaltungen müssen mit Führungspersonal vertreten sein.
- Das gleiche gilt für weitere für die Umsetzung verantwortliche Institutionen, Organisationen oder Unternehmen.
- Etwaige Beteiligungsgremien sind unter dem Gesichtspunkt von Repräsentativität zusammenzusetzen, insbesondere der Einfluss so genannter „Zeit-Eliten“ darf nicht überwiegen (je weniger Zeit jemand aufgrund seiner Lebens- und Arbeitssituation für die Teilnahme an Beteiligungsgremien hat, desto größer ist für mich das Gewicht seiner Aussagen).
Den von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durchgeführten Erarbeitungsprozess für „Partizipations-Leitlinien“ habe ich von Anfang an dafür kritisiert, dass in dem maßgeblichen Arbeitsgremium weder die maßgeblich Umsetzungsverantwortlichen vertreten waren, noch eine insgesamt repräsentative Zusammensetzung des Gremiums erkennbar war. Für solche Verfahren stand und stehe ich nicht zur Verfügung, das habe ich den Verantwortlichen auch mitgeteilt.
Warum die Erarbeitung der Leitlinien die erstaunliche Zeit von über zwei Jahren in Anspruch genommen hat, kann ich deshalb leider nicht beurteilen.
Zu den in diesem Zeitraum erarbeiteten Grundsätzen habe ich keine fundamentale Kritik zu äußern, sie spiegeln im Wesentlichen den Stand bekannter Handbücher und Leitfäden zu Partizipationsverfahren wider, denen ich meinerseits wenig hinzuzufügen hätte.
Innerhalb der Verwaltung eine Anlaufstelle mit Lotsen- und Beratungsfunktion anzusiedeln, halte ich ebenfalls nicht für grundsätzlich kritikwürdig - angesichts des Stellenwerts von Partizipationsverfahren bin ich lediglich verwundert, dass es das nicht längst gibt.
Diese Stelle sollte aber ausdrücklich Teil der Verwaltung sein und nicht (wie vorgesehen) durch einen ‚gemeinnützigen Träger‘ beeinflusst.
Ob es angesichts der bisherigen Verfahrenseffizienz des Leitlinienprozesses angezeigt erscheint, dass Arbeitsgremium in einen „Beteiligungsbeirat“ zu überführen, es quasi zu verewigen und mit Aufwandsentschädigungen zu versehen, möge jeder selbst beurteilen.
Mit herzlichem Gruß
Ihr
Stefan Evers